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Mazedonien neue Regierung

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Berichte Nord-Mazedonien
Im Parlament in Skopje wird heute die neue mazedonische Regierung angelobt. Sie besteht aus einer Koalition jener zwei Parteien, die die Parlamentswahl am 15. September gewonnen haben. Stärkste Kraft unter den Mazedoniern wurde die Allianz „Mazedonien gemeinsam“ unter Führung des Sozialdemokraten Branko Crvenkovski, der nun auch Ministerpräsident wird. Diese Allianz gewann 60 der 120 Mandate. Stärkste albanische Kraft wurde die DUI, die Allianz für Demokratische Integration mit 16 Sitzen. Die DUI ist aus der Freischärler-bewegung UCK hervorgegangen. Gefechte zwischen der UCK und Sonderpolizei und Armee führten Mazedonien vergangenes Jahr an den Rande eines Bürgerkrieges. EU und NATO gelang es jedoch ein Friedensabkommen und eine teilweise Entwaffnung der Freischärler zu erreichen, eine brüchiger Friede, der durch eine NATO-Truppe gesichert wird. In Skopje hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit dem neuen Ministerpräsidenten Branko Crvenkovski gesprochen und folgenden Bericht gestaltet:

Die neue mazedonische Regierung umfaßt den Ministerpräsidenten und 14 Minister. Die albanische Allianz DUI führt die Ressorts Justiz, Erziehung, Gesundheit, Transport und Telekommunikation und stellt auch einen stellvertretenden Regierungschef. Die Schlüssel-ministerien wie Finanzen, Inneres und Verteidigung sind in der Hand der Allianz „Mazedo-nien Gemeinsam“, doch verfügen die Albaner in diesen Ressorts über einen stellvetretenden Minister. Nicht in der Regierung vertreten ist DUI-Vorsitzender Ali Achmeti. Er war der politische Kopf der Freischärlerbewegung UCK. Auch andere führende Kommandanten der UCK haben auf Ministerposten verzichtet; denn Achmeti ist für viele Mazedonier ein Feind-bild und auch das Vertrauen in der Regierung muß noch gefestigt werden, wie Minister-präsident Branko Crvenkovski betont:

„Das wechselseitige Vertrauen müssen wir Schritt für Schritt aufbauen; man darf nicht auf großen Sprüngen beharren, daß man zu große Schritte vorwärts macht, die für die Öffent-lichkeit nicht annehmbar wären, das wäre kontraproduktiv und würde nicht zur Stabilisierung sondern zur Destabilisierung führen. Das was wichtig ist, ist daß guter Wille zur Zusammen-arbeit besteht zwischen den beiden größten Parteien unter den Albanern und Mazedoniern und daß diese Zusammenarbeit ein prinzipielle Grundlage hat, das heißt die Achtung des Rahmen-abkommens, der territorialen Integrität des Staates, des unitaren Charakters des Staates und der gemeinsamen Verantwortung, den Staat auf allen Gebieten wie der Wirtschaft, Soziales und Politik zu führen.“

Crvenkovski ist sich bewußt, daß Mazedonier und Albaner bisher eher nebeneinander und nicht miteinander gelebt haben, eine Trennung, die die bürgerkriegsähnlichen Gefechte noch verstärkt haben. Um diese Trennung abzubauen, setzt Crvenkovski auch auf Änderungen im bisher weitgehend getrennten Schulwesen:

„Ich glaube absolut nicht an die Trennung oder Gettoisierung von Teilen der Gesellschaft, sondern an die Integration der Gesellschaft. Ich glaube absolut nicht an die ethnische Teilung der Lehranstalten, an streng getrennt Schulen der Albaner und Mazedonier gehen. Im Gegen-teil. Ich glaube, daß die Schüler von der Grundschule an einander näher kommen und sich kennenlernen müssen. Das Bildungssystem muß dazu führen, daß gemeinsame Interessen bei den Kindern und jungen Leuten gefördert werden, die eines Tages diesen Staat führen werden. Im Gegensatz zur bisherigen Regierung, die in Wirklichkeit nach dem Prinzip der Teilung in Einflußsphären vorgegangen ist, ist unser Zugang die Teilung der Verantwortung auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens.“

Zu dieser Teilung der Verantwortung zählt der Ministerpräsident auch die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal, das Verbrechen während der Gefechte untersuchen und Verfahren einleiten soll:

„Im Grunde waren alle ethnischen Kriege auf dem Balkan schmutzige Kriege und es gab viele Verbrechen. Einige Kriminelle schlugen sich dabei auf die Brust und erklärten sich zu Patrioten. Alle Kriminellen am Balkan verwandelten sich am Balkan über Nacht in Patrioten. Wir können die Geschichte nicht ändern, aber die Zukunft gestalten, in dem wir dafür die Verantwortung tragen was geschehen ist. Die neue Regierung Mazedoniens wir keine selektive Auswahl treffen, sondern mit dem Haager Tribunal zusammenarbeiten ungeachtet dessen, ob Untersuchungen Mazedonier oder Albaner betreffen.“

Die neue Regierung muß jedoch nicht nur die Aussöhnung zwischen Mazedoniern und Albanern vorantreiben, sondern auch die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage meistern, um die materiellen Grundlagen für ein Zusammenleben zu verbessern. Dazu sagt Brank Crvenkovski:

„Von vielen internationalen Institutionen und Foren wird Mazedonien als jener Staat mit dem höchsten Maß an Kriminalität und Korruption bezeichnet. Das ist ein internes Problem, das jeden Augenblick den Staat destabilisieren kann. Dann kommen natürlich die Wirtschafts-reformen, Kampf gegen Arbeitslosigkeit und das Schaffen neuer Arbeitsplätze, daher ist es notwendig auch mit den internationalen Finanzinstitutionen zusammenzuarbeiten.“

Zu diesen Zielen bekennt sich auch der Vorsitzende der Allianz DUI, Ali Achmeti. Zwar sitzt der ehemalige Chef der UCK nicht in der Regierung, ist aber die politische Schlüsselfigur unter den Albanern. Zur Verbesserung der Wirtschaftslage setzt Achmeti vor allem auf die Diapsora:

„Wir müssen Sicherheit und dauerhafte Stabilität wieder herstellen dann werden die Albaner ihr Kapital hier investieren, das sich durch ihre Arbeit in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland und Österreich erworben haben. Die Voraussetzungen dafür müssen geschaffen werden, denn sonst wird niemand in Mazedonien Geld aus Österreich, Deutschland oder der Schweiz investieren. Abgesehen von der albanischen Diaspora haben wir auch Mazedonier, die im Ausland leben, und auch die werden hier investieren, wenn wir Frieden und Stabilität geschaffen haben.“

Zu Frieden und Stabilität und damit auch zum Erfolg ist die neue Regierung praktisch ge-zwungen. Wiederholte sie die Fehler ihrer Vorgänger, drohte nicht nur das Scheitern einer Regierung. Möglich wäre dann der blutige Zerfall Mazedoniens mit allen destabilisierenden Folgen für die Lage im Kosovo und den gesamten Balkan. Daher wird auch der Westen noch lange in Mazedonien präsent bleiben müssen; denn obwohl es keine Gefechte mehr gibt, ist das Konfliktpotential in Mazedonien nach wie vor groß.

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