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Milo Djukanovic tritt ab

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Wiener Zeitung
Berichte Montenegro
„Der Lotse geht von Bord“ – so beschrieb eine britische Karikatur den von Kaiser Willhelm 1890 provozierten Rücktritt von Otto von Bismarck, dem Architekten der kleindeutschen Lösung bei der Einigung Deutschlands unter preußischer Führung. Mit Bismarck ist Montenegro durchaus in historischer Weise verbunden, wurde doch die staatliche Selbständigkeit des Fürstentums 1878 beim Berliner Kongress von den europäischen Großmächten bestätigt. Ähnlich wie Bismarck, wenn auch in viel kleinerem Maßstab, hat Milo Djukanovic für Montenegro eine staatsbildende Rolle gespielt.

Milo Djukanovics größter politischer Erfolg war denn wohl auch das Referendum Ende Mai, mit dem er Montenegro in jene Unabhängigkeit führen konnte, die nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Anschluss an Serbien verlorenen gegangen war. Diese Wiederherstellung der Staatlichkeit hat der 44-jährige Djukanovic über Jahre hinweg und gegen den massiven Widerstand Serbiens und der EU zu erreichen vermocht. Die im September folgende Parlamentswahl brachte seiner Koalition aus der Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) und den Sozialdemokraten wieder die absolute Mehrheit. Bereits damals hatte Djukanovic inoffiziell seinen Willen geäußert, sich nach mehr als 15 Jahren an der Spitze Montenegros aus der Politik zurückzuziehen. Diesen Willen setzte er nun gegen den Widerstand seiner Partei DPS um und verzichtete auf ein weiteres Regierungsmandat. Als ein möglicher Nachfolger gilt der noch jüngere Finanzminister Igor Luksic, doch ist diese Frage offensichtlich noch nicht geklärt. Parteichef will Djukanovic jedenfalls bis auf weiteres bleiben und sich darüber hinaus seinen privaten Geschäften widmen.

Milo Djukanovic hat sein ganzes bisheriges Leben in der Politik verbracht. In Niksic am 15. Februar 1962 als Sohn einer angesehenen montenegrinischen Familie geboren, schloss er in Podgorica die Wirtschaftsfakultät ab. Bereits damals engagierte er sich in der Kommunistischen Jugendorganisation und wurde jüngstes Mitglied im ZK des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens. Seine weitere Karriere ist zunächst eng mit dem Aufstieg von Slobodan Milosevic in Serbien verknüpft. Als dessen getreuer Gefolgsmann wurde er im Februar 1991 mit 29 Jahren Ministerpräsident Montenegros. Als Milosevics Stern zu sinken begann setzte sich Djukanovic von ihm ab und 1998 erfolgte der endgültige Bruch, der auch zur Parteispaltung in Montenegro führte. Djukanovic blieb innerparteilich wie bei den Wahlen Sieger, begann mit Reformen und wurde als Kritiker von Milosevic zunächst Liebkind des Westens. Nach Milosevics Sturz änderte sich dies, denn vor allem die EU lehnt zunächst die weitere Loslösung Montenegros ab. Vorwürfe häuften sich, Djukanovic habe massiv am Zigarettenschmuggel verdient. Er selbst hat das stets bestritten, doch zumindestens der Reichtum seines Bruders „Aco“ ist sprichwörtlich. 2002 musste Djukanovic jedenfalls vorläufig einem Staatenbund mit Serbien zustimmen, doch bei der Parlamentswahl im Jänner 2003 gewann seine Koalition die absolute Mehrheit. Die folgenden vier Jahre nutzte „Milo“ für ernsthafte Reformen und für eine gründliche Vorbereitung des Referendums, das schließlich die Unabhängigkeit brachte.

Milo Djukanovic war der am längsten amtierende Spitzenpolitiker des alten Jugoslawien. Er hat alle seine politischen Ziele erreicht und tritt nun am Höhepunkt seiner Macht ab. Diese Weisheit haben nicht viele Politiker seines Alters besessen; sein wohl größter Erfolg ist, dass er das multiethnische Montenegro als einzigen Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawien vor einem Zerfallskrieg bewahren und spät aber dafür friedlich in die Unabhängigkeit von Serbien führen konnte.

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