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Mehr als ein Jahr nach dem Sturz von Slobodan Milosevic ist die Frage noch immer ungeklärt, ob Jugoslawien als Staat erhalten bleibt. Denn die Unab-hängigkeitsbestrebungen in der kleineren Teilrepublik Montenegro, die als Kampf gegen Milosevic begannen, haben sich verselbständigt. So beharrt Präsident Milo Djukanovic auf der Loslösung von Serbien. Gespräche mit politischen Führung in Belgrad über einen Kompromiß scheiterten bisher. Erschwert wird vor allem Djukanovics Position dadurch, daß die Bürger Montenegros in der Frage der Unabhängigkeit zu etwa gleichen Teilen in Befürworter der Eigenstaatlichkeit und in pro-serbische Kräfte gespalten sind. Eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit wurde bereits mehrere Male verschoben; das Referendum soll nun im Frühling stattfinden. Ungeachtet dessen will Montenegro jedoch an der Einführung des Euro festhalten. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz hat jüngst Montenegro wieder ein Mal besucht und folgenden Bericht gestaltet:

„Der Euro – unser Geld“ – mit diesem Text auf einem Plakat in der monte-negrinischen Hauptstadt Podgorica werden derzeit die Montenegriner auf die zweite Währungsumstellung binnen Jahresfrist vorbereitet. Um sich von Slobodan Milosevic zu lösen, ersetzte die montenegrinische Führung vergan-genes Jahr den Dinar schrittweise durch die DM. Zum einzigen offiziellen Zahlungsmittel wurde die Mark vor fast genau einem Jahr, obwohl Milosevic inzwischen in Belgrad bereits gestürzt war, denn Montenegros Präsident Milo Djukanovic hielt trotz der Revolution in Serbien weiter am Unabhängigkeitskurs fest. Nunmehr soll die DM durch den Euro ersetzt werden, um die Loslösung der kleineren jugoslawischen Teilrepublik von Serbien zu festigen und die europäische Zukunft Montenegros zu dokumentieren. Die doppelte Preisaus-zeichnung ist in allen Geschäften bereits eingeführt worden. Auf Speisekarten und Geschäften sind schon alle Waren in DM und Euro angeschrieben. So kostet eine Montenegro-Torte knapp 10 DM 80 oder 5 Euro und 52 Cent, umgerechnet knapp 80 Schilling. Zur Währungsumstellung sagen Passanten in Podgorica:

„Wenn ganz Europa den Euro einführt, warum dann nicht auch wir, ich bin dafür.“

„Wir sollten Teil Europas sein, uns in die europäischen wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Strömungen integrieren.“

Doch es gibt auch ablehnende Stimmen:

„Das heißt gar nichts, solange die Industrie nicht arbeitet und die Wirtschaft nicht funktioniert. Das Leben ist sehr hart.“

Skeptisch kommentiert die Währungsumstellung auch der Wirtschaftsexperte

Nebojsa Medojevic:

„Tatsache ist, daß wir die DM im vergangenen Jahr praktisch um 26 Prozent abgewertet haben. Denn wir haben zwar die DM als Zahlungsmittel doch wir haben eben auch Preissteigerungen in DM. Das heißt, daß in keinem Staat eine Währung selbst Preisstabilität sichern kann. Daher ist es notwendig, daß die Wirtschaftspolitik der montenegrinischen Regierung sich auf die Beseitigung von Defiziten und radikale Wirtschaftsreformen konzentrieren sollte. Dann können wir ein System haben, das unsere industriellen Kapazitäten dominiert, die bestimmte Güter produzieren, die ihren Platz auf dem europäischen Markt finden können.“

Doch bis dahin ist der Weg noch weit. Sichtbarstes Zeichen für die Krise in Montenegro sind die täglichen Stromabschaltungen im Ausmaß von vier Stunden unter denen die Bürger leiden. Grund dafür sind hohe Schulden von Großverbrauchern beim Energieversorger, Geldmangel des Staates um Importe von Strom und Energieträgern zu bezahlen, veraltete Kraftwerke sowie die große Trockenheit.

„Montenegro im Dunkeln“ – lautete denn auch jüngst eine Schlagzeile der Tageszeitung „Vijesti“. Diese Dunkelheit könnte auch die lichte Zukunft in Frage stellen, die Montenegros Präsident Milo Djukanovic seinen Landsleuten in einem unabhängigen Staat verheißt. Sein Festhalten an der Unabhängigkeit begründet Djukanovic so:

„Ich denke, daß der Prozeß der Auflösung des ehemaligen Jugoslawien vollendet werden muß; denn dann können Serbien und Montenegro als klar definierte Staaten ebenso wie Slowenien, Bosnien und Mazedonien in der Region und mit dem entwickelten Europa zusammenarbeiten.“

Doch Djukanovic weiß, daß die USA und Europa seinen Plänen sehr reserviert gegenübersteht:

„Es scheint mir, daß die EU noch immer befürchtet, daß Montenegros Initiative zu einem Dominoeffekt von Instabilitäten am Balkan führen kann. Ich denke, daß diese Annahme völlig falsch ist; im Gegenteil.“

Doch unabhängig davon, was richtig oder falsch ist, ist der Westen auch mit dem Reformtempo in Montenegro unzufrieden. Obwohl das 660.000 Einwohner zählende Montenegro etwa 5,5 Milliarden Schilling von den USA und der EU seit 1999 erhalten hat, ist ein Wirtschaftsaufschwung noch nicht in Sicht. So kommt eine Studie mit dem Titel „Rhetorik und Reform“ zu folgendem ernüchternden Schluß:

„Montenegros Institutionen sind nicht effektiv genug, um das Funktionieren als unabhängiger europäischer Staat zu erlauben, noch um innerhalb einer losen Föderation oder Konföderation prosperieren zu können.“

Hinzu kommt, daß Djukanovic sich mit Vorwürfen konfrontiert sieht, er sei in den großangelegten Schmuggel von Zigaretten am Balkan verwickelt. Zwar hat Djukanovic diese Vorwürfe zurückgewiesen; doch der internationale Druck, die im Herbst nächsten Jahres fällige Präsidentenwahl und die unklare innenpoliti-sche Lage schränken seinen Handlungsspielraum zunehmend ein. Denn die Montenegriner sind in der Frage der Unabhängigkeit gespalten. Meinungs-umfragen zeigen, daß nur eine knappe Mehrheit die Loslösung von Serbien unterstützt. Diese Spaltung bestätigte auch die vorgezogene Parlamentswahl Ende April. Seither führt Montenegro eine Minderheitsregierung, die sich im Parlament auf die absolute Mehrheit jener Parteien stützen kann, die für die Unabhängigkeit eintreten. Als Ausweg strebt Djukanovic nun eine Einigung mit den pro-serbischen Parteien über das bereits mehrmals verschobene Unabhäng-igkeitsreferendum sowie deren Einbindung in die Regierung an. Milo Djukanovic:

„Soweit es uns betrifft sind wir bereit, über die Bildung einer Konzentrations-regierung zu verhandeln. Ich denke, daß es ein kleineres Problem ist, für eine kurze Zeit die Macht mit der Opposition zu teilen als ein Referendum abzu-halten, da von der Opposition boykottiert wird und so Raum dafür läßt, daß das Ergebnis des Referendums dann umstritten ist.“

Dieses Referendum soll nun im Frühling stattfinden. Nach dem Scheitern der Gespräche mit Belgrad ist nun auch die serbische Führung für diese Abstim-mung. Doch gemeinsam mit der pro-serbischen Opposition in Montenegro ist Belgrad bestrebt, die Rahmenbedingungen für das Referendum zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Nicht zuletzt deshalb haben die Verhandlungen zwischen Unabhängigkeitsbefürwortern und –gegnern bisher kein Ergebnis gebracht. Umstritten ist noch immer, welche Mehrheit für ein gültiges Re-ferendum erforderlich sein soll, wer abstimmen darf und ob es eine oder zwei Fragen geben wird.

Eine Klärung dieser Fragen wird immer dringender, denn der unklare Status Jugoslawiens belastet zunehmend auch das Reformtempo nicht nur in Monte-negro selbst, sondern auch in Serbien. Belgrad ist jedenfalls bereit, das Ergebnis eines Referendums anzuerkennen, sollten sich die montenegrinischen Parteien auf die Rahmenbedingungen dafür geeinigt haben. Daß auch die EU dazu bereit ist, bestätigt Albert Rohan, der Generalsekretär des österreichischen Außen-ministeriums, der jüngst Montenegro besucht hat. Albert Rohan:

Daß vom Ausgang des Referendums auch die künftige Währung in Monetnegro abhängt, macht in Belgrad der Präsident der jugoslawischen Nationalbank Mladen Dinkic deutlich:

„Wenn die Montenegriner sich für die Unabhängigkeit entscheiden, dann werden die Staaten getrennt und dann wird Montenegro den Euro haben, so wie wir den Dinar haben. Doch wenn die Bürger sich nicht für zwei Staaten, sondern für einen gemeinsamen Staat entscheiden, dann wird der Beschluß der monte-negrinischen Führung über den Euro ins Wasser fallen; denn dann, selbst wenn eine internationale Vermittlung nötig sein sollte, wird das dazu führen, daß der Dinar auch in Montenegro das Zahlungsmittel sein wird.“

Im Falle einer Niederlage der Unabhängigkeitsbefürworter beim Referendum könnte den Montenegrinern somit im kommenden Jahr neuerlich ein Währungs-umstellung bevorstehen. Denn Mladen Dinkic macht ganz klar:

„Wenn sich die Montenegriner für einen gemeinsamen Staat entscheiden, dann ist völlig klar, daß der Euro in Montenegro nicht eingeführt wird. Selbst wenn er bereits eingeführt worden sein sollte, so wird er zurückgezogen und durch den Dinar ersetzt werden. Denn die Euro-Geldmenge ist sehr gering und daher ist es leicht ihn durch den Dinar zu ersetzen. Doch all das hängt von der Lösung des politischen Problems ab. Doch es ist völlig klar, daß wir nicht einen Staat mit zwei Währungen haben können.“

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