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Die folgen des Wahlboykott

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In Jugoslawien kommt der kleineren Teilrepublik Montenegro bei der Präsidentenwahl am 24. September keine wahlentscheidende Bedeutung zu, was die Zahl der Wähler betrifft. Denn in Montenegro gibt es nur knapp 450.000 Wahlberechtigte, während es in Serbien mehr als 7 Millionen sind. Von großer politischer Bedeutung ist jedoch, daß sich die pro-westliche Führung Montenegros zum Boykott der Präsidenten- und Parlamentswahlen entschlossen hat. Diese Entscheidung wird in Jugoslawien als weiterer Schritt zum Zerfall des Landes interpretiert. Außerdem kann Slobodan Milosevic damit rechnen, daß er alle montenegrinischen Mandate für die beiden Kammern des jugoslawischen Bundesparlaments gewinnt, weil in Montenegro praktisch nur Pro-Milosevic-Parteien antreten. Nicht zuletzt dadurch könnte Milosevic selbst bei einer Niederlage bei der Präsidentenwahl im Bundesparlament die Mehrheit behalten. Unser Belgrader Korrespondent Christian Wehrschütz hat sich in Montenegro knapp zwei Wochen vor den Wahlen umgesehen, hier sein Bericht.

Text:

„Jugoslavia, Jugoslavia“ diese Rufe sind in Montenegro nur bei Veranstaltungen der SNP, der Sozialistischen Volkspartei, zu hören. Denn die SNP ist die einzige Partei im montenegrinischen Parlament, die an den Wahlen am 24. September teilnimmt. Ihr Vorsitzender ist der jugoslawische Regierungschef Momir Bulatovic, ein treuer Gefolgsmann von Slobodan Milosevic. Etwa 500 Kundgebungen will die SNP bis zum Wahltag in Montenegro abhalten. Aufgerufen wird dabei zu einer hohen Wahlbeteilung, zur Treue zu Jugoslawien und zur Wiederwahl von Slobodan Milosevic. Angegriffen wird vor allem der pro-westliche montenegrinische Präsident Milo Djukanovic, dessen Drei-Parteien-Koalition die Wahlen boykottiert. Begründet wird der Boykott mit der Änderung der Bundesverfassung, mit der ohne Zustimmung der montenegrinischen Führung die Direktwahl des jugoslawischen Präsidenten und der Abgeordneten des Bundesparlaments eingeführt wurde. Tatsächlich dürfte dieser Beschluß der kleinste gemeinsame Nenner sein, auf den sich die Koalition einigen konnte. Denn in dem Drei-Parteien-Bündnis gibt es Anhänger der Unabhängikeit aber auch Befürworter einer erneuerten Föderation mit Serbien ohne Milosevic.

Wegen des Boykotts haben die Pro-Milosevic-Parteien einen schweren Stand in Montenegro. Denn nicht nur die Regierungsparteien, auch die staatlichen Medien und die staatliche Verwaltung boykottieren die Wahl. Wahlplakate sind praktisch nicht zu sehen und staatliche Gebäude werden nicht als Wahllokale zur Verfügung gestellt. Wegen dieser weitgehend irregulären Bedingungen führt auch die demokratische Opposition Serbiens keinen Wahlkampf in Montenegro. Ihr aussichtsreichster Präsidentschaftskandidat, Vojislav Kostunica, war nur einen Tag in der kleineren jugoslawischen Teilrepublik. Wahlveranstaltung gab es keine; statt dessen traf Kostunica zwei pro-jugoslawische Regierungspolitiker. Weit länger als diese Verhandlungen dauerten die Gespräche mit der Serbisch-Orthodoxen Kirche. Sie befürwortet einen gemeinsamen Staat und bekämpft die sich neu formierende montenegrinische Orthodoxie. Im Serben Kostunica findet sie dabei einen klaren Fürsprecher; doch eine offene kirchliche Wahlempfehlung für Kostunica ist unwahrscheinlich. Denn nicht zuletzt finanziell ist die Kirche auch von Montenegro und damit von Präsident Djukanovic abhängig. Kostunica hofft, daß Serbien und Montenegro künftig in einer loseren Staatengemeinschaft vereint bleiben, für die der Name Jugoslawien keine Bedingung sei. Ob es dazu kommt ist fraglich; denn die montenegrinische Führung wird kaum bereit sein, auf ihr gestiegenes internationales Ansehen zugunsten Belgrads zu verzichten, selbst wenn dort nach der Wahl Vojislav Kostunica und nicht mehr Slobodan Milosevic das Amt eines jugoslawischen Präsidenten inne haben sollte.

Montenegro/Wehrschütz/ZiB-Mod:

In Jugoslawien kommt der kleineren Teilrepublik Montenegro bei der Präsidentenwahl am 24. September keine wahlentscheidende Bedeutung zu, was die Zahl der Wähler betrifft. Denn in Montenegro gibt es nur knapp 450.000 Wahlberechtigte, während es in Serbien mehr als 7 Millionen sind. Von großer politischer Bedeutung ist jedoch, daß sich die pro-westliche Führung Montenegros zum Boykott der Präsidenten- und Parlamentswahlen entschlossen hat. Diese Entscheidung wird als weiterer Schritt zur Abspaltung Montenegros von Serbien und damit zum Zerfall Jugoslawiens interpretiert

Inserts: Christian Wehrschütz, Podgorica

Aufsager: 1‘12

Text:

„Jugoslavia, Jugoslavia“ diese Rufe sind in Montenegro fast nur bei Kundungen der SNP, der Sozialistischen Volkspartei, zu hören. Die SNP ist die einzige Partei im montenegrinischen Parlament, die an den Wahlen teilnimmt. Unter Führung des jugoslawischen Regierungschefs Momir Bulatovic kämpft sie für die Wiederwahl von Slobodan Milosevic. Attackiert wird der pro-westliche montenegrinische Präsident Milo Djukanovic, dessen Koalition die Wahlen ebenso boykottiert wie staatliche Verwaltung. Bei der Lokalwahl im Juni in Podgorica war dieses Gebäude ein Wahllokal. Angesichts seines derzeitigen Zustandes wird dies bei den Wahlen in zwei Wochen kaum der Fall sein. Wegen des Boykotts verzichtet auch Vojislav Kostunica, Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Opposition Serbiens, auf einen Wahlkampf in Montenegro. Bei seinem Besuch warb Kostunica um Unterstützung der serbisch-orthodoxen Kirche. Die Kirche ist ebenso für die Erhaltung Jugoslawiens, wie ein Teil der regierenden Drei-Parteien-Koalition Montenegros. Mit deren Vertretern traf Kostunica ebenfalls zusammen. Kostunica hofft, daß sich dieser Flügel im Falle seines Sieges durchsetzt, und eine lose Föderation zwischen Serbien und Montenegro erhalten bleibt.
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