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Zufallsbekanntschaft mit syrischer Familie in Tovarnik und Treffen in Wien

Fernsehen
ZiB2
Berichte Kroatien
Flüchtlinge und Migranten, die nun nach Österreich und Deutschland kommen, stammen aus vielen Völkern und Volksgruppen und sehr unterschiedlichen sozialen Schichten. Manche verfügen in ihrem Zielland über Verwandte, und das erleichtert natürlich den Start in ein neues Leben sehr. Ein Beispiel dafür bildet drei Syrer, die zu ihren Verwandten nach Wien geflohen sind, die seit mehr als 40 Jahren in Österreich leben. Diese Familie hat unser Balkan-Korrespondent in Kroatien kennen gelernt und dann wieder in Wien getroffen. Der Bericht erhebt nicht den Anspruch auf Repräsentativität, sondern zeigt ein Einzelschicksal, das Journalisten eben bei ihrer Arbeit am Balkan nun ebenfalls begegnen kann:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Tovarnik/Wien

Insert1: Marwan Mardini (54) Flüchtling aus Syrien

Insert2: Wael Al-Jaafari, Unternehmer in Wien

Insert3: Osama Mardini, (23) Flüchtling aus Syrien

Insert4: Marwan Mardini (54) Flüchtling aus Syrien

Insert5: Louai Al-Jaafari

Gesamtlänge:

Im kroatischen Grenzbahnhof Tovarnik herrschte Mitte September das Chaos. Flüchtlinge und Migranten drängten hierher, weil Ungarn die Grenze zu Serbien geschlossen hatte. Hier traf ich Wael Al-Jaafari, der nach Tovarnik gekommen war, um seine drei syrischen Verwandten nach Wien zu bringen. Der 37-jährige gebürtige Wiener war beim Interview mit seinem Onkel unser Dolmetscher; warum seid ihr geflohen, noch dazu ohne Frau und Tochter?

„Mit meinem letzten Geld habe ich meine Söhne mitgenommen, damit sie nicht zum Militär eingezogen werden. Frau und Tochter leben in einer Mitwohnung und werden von meinen Verwandten betreut. Wenn alles klappt, will ich meine Familie nachholen.“

Durch das herrschende Chaos gelang auch aus Tovarnik die Flucht und einige Tage später über Ungarn die Einreise nach Österreich. In Wien trafen wir einander wieder, und zwar in einem der drei Lokale, die Wael Al-Jaafari mit einem Partner führt. Für Wael bildete auch das Bundesheer ein positives Integrationserlebnis:

„Ich war in Wiener Neustadt auf der Militärakademie, wo es eigentlich am schwersten ist, sich zu integrieren, doch ich war einer von ihnen und sie waren einer von mir.“

Sein Bruder Louai hat ebenfalls gedient; er arbeitet in der Auslandsabteilung einer Bank; beide helfen Onkel und Cousins beim Eingewöhnen: Marwan Mardini arbeitete in der Schminkerei im syrischen Staatsfernsehen, der 17-jährige Khaled hat eine syrische Matura, der 23-jährige Osama studierte zwei Jahre Jus in Damaskus; den Asylantrag haben alle gestellt:

„Ich möchte die Wartezeit bis zum Bescheid nützen, um die Sprache zu lernen, dann möchte ich studieren oder arbeiten, je nach dem, was möglich ist. Am liebsten würde ich eine sportliche Ausbildung machen. Aber konkret, weiß ich es noch nicht.“

In Österreich ist das Leben viel freizügiger als in islamischen Ländern. Wie steht der Vater dazu?

„Natürlich ist der Islam in manchen Dingen schon streng; so ist außerehelicher Geschlechtsverkehr verboten; natürlich ist auch Homosexualität ein sensibles Thema, aber das ist eben der Islam, der diese Regeln und Maßstäbe setzt.“

Die Familie Mardini zählt in Syrien zur Mittelschicht; was heißt das konkret?

„Mein Onkel ist ein gutes Beispiel – Wohnung, Auto, Job, drei Kinder, die Frau musste nicht arbeiten gehen, er konnte für sie sorgen; das ist etwas, das man leisten kann, auch wenn man wirklich dahinter ist, dort in Syrien. Anders kann man auch dort nicht leben. Es gibt ja nicht die sozialen Leistungen, die sie beziehen können vom Staat. Es gibt keine Familien-, keine Wohnbeihilfe, keinen Zuschuss zur Heizung, das zahlt man ja alles aus seiner eigenen Tasche.

In Wien zählt die Familie wohl auch zur guten Mittelschicht; der Stammvater kam vor 44 Jahren nach Österreich und baute sich erfolgreich seine Existenz auf. Die Familie ist somit sicher nicht repräsentativ für Flüchtlinge und Migranten, die im Aufnahmeland wohl eher selten über eine derart gute Basis verfügen, um ein neues Leben zu beginnen.

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