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Sanaders Rücktritt und die Spekulationen über die Gründe

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Berichte Kroatien
In Kroatien platzte gestern am frühen Nachmittag eine politische Bombe – offenbar auch für einige Minister überraschend erklärte der konservative Ministerpräsident Ivo Sanader seinen Rücktritt. Sanader nannte ausschließlich persönliche Gründe – Krankheit oder eine neue Funktion in einer internationalen Institution schloss er ebenso aus wie eine Kandidatur bei der kroatischen Präsidentenwahl im Spätherbst dieses Jahres. Möglichen Motiven für den Rücktritt ist in Zagreb unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz nachgegangen, hier sein Bericht:

Die Spekulationen über den Rücktritt von Ivo Sanader als Ministerpräsident in Politik, Diplomatie, Wirtschaft und Medien sind vielfältig. Sie reichen von mafiösem Druck aus der Unterwelt, über die Wirtschaftskrise bis hin zu einem Putsch nationalistischer Kader innerhalb der eigenen Partei HDZ. Nicht gelungen ist es Sanader jedenfalls, die eigene Partei umfassend zu reformieren. So werden künftig mindestens zwei Politiker eine weit stärkere Rolle spielen, die in der Ära des nationalistischen Staatsgründers Franjo Tudjman dessen enge Gefolgsleute waren. Berechtigt sind die Zweifel, das Sanaders bisherige Stellvertreterin, Jardanka Kosor, nun der Herausforderung gewachsen sein könnte, die die Ämter des Ministerpräsidenten und Parteichefs mit sich bringen; denn in der Partei ist Kosor nicht wirklich tief verankert. Welche Autorität Sanader als Ehrenpräsident mit Sitz und Stimme noch haben wird ist ebenso fraglich. Sicher ist aber, dass Kroatien sehr schwierige wirtschaftliche Zeiten bevorstehen, die ohne eine Vereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds nicht zu meistern sein werden. Auch der Tourismus dürfte beträchtliche Einbrüche erleben, und das veranschlagte Budgetdefizit wird nicht zu halten sein.; daher ist Ivo Sanader zweifellos zu einem Zeitpunkt abgetreten, zu dem er noch als jener Politiker gelten kann, der Kroatien in die NATO und nicht in eine tiefe Krise geführt hat. Seine Versäumnisse bei der Reform von Wirtschaft und Verwaltung werden schon bald schonungslos zutage treten. Sicher ist wohl, dass Sanader nicht zurück getreten wäre, hätte er noch die Chance auf einen raschen EU-Beitritt Kroatiens gesehen. Dieser Beitritt war sein zentrales politisches Ziel. Dieses Ziel ist wegen des Grenzstreits mit Slowenien in weitere Ferne gerückt. Was bleibt ist ein derzeit verunsichertes Land und ein Rätselraten über den künftigen Kurs, der gerade für Österreich als größtem Investor und bedeutendem Kreditgeber von enormer Bedeutung ist.

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