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Vor Verschiebung der EU-Verhandlungen

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Berichte Kroatien
Donnerstag, der 17. März, hätte für Kroatien ein historisches Datum werden sollen. Denn übermorgen hätten die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union beginnen sollen. Doch derzeit sieht es so aus, dass nur mehr ein Wunder diesen Termin retten kann. Dieses Wunder könnte wohl nur der flüchtige General Ante Gotovina vollbringen, wenn er sich dem Haager Tribunal stellt. Denn dieser letzte noch offene Fall ist das Hindernis für den Beginn der Verhandlungen, weil die EU der Ansicht ist, dass Kroatien nicht völlig mit dem Haager Tribunal zusammenarbeitet. Bei dieser Bewertung stützt sich Brüssel auf Chefanklägerin Karla Del Ponte. Sie hat erklärt, Gotovina sei in Reichweite der kroatischen Regierung, während Zagreb beteuert, der General sei nicht in Kroatien. Was eine Verschiebung der Gespräche für Kroatien bedeutet, darüber berichtet nun unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

In Brüssel werden die Außenminister der EU endgültig über eine Verschiebung der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien entscheiden. In Brüssel ist bereits seit heute der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader. Er versucht zu retten, was noch zu retten ist, doch seine Chancen stehen schlecht, denn die Bewertung des Haager Tribunals zählt in der EU mehr als die Beteuerungen Kroatiens. Doch auch im Falle einer Verschiebung der EU-Verhandlungen hat Ivo Sanader in Kroatien zunächst keine drastischen Reaktionen zu erwarten. Den Grund dafür erläutert der Meinungsforscher

Dragan Bagic in Zagreb so:

„Alle Reaktionen auf diesen Druck und auf die Verschiebung der Verhandlungen haben bereits stattgefunden und waren bereits messbar im Rückgang der Zustimmung für den EU-Beitritt Kroatiens. Ich erwarte daher keinen weiteren drastischen Rückgang nach dem 17. März. Hinzu kommt, dass die Kroaten dieses Datum weit weniger euphorisch betrachten als die Politiker. Auch daher erwarte ich keine große Enttäuschung. Trotzdem ist die Verschiebung der Verhandlung noch ein weiteres Mosaiksteinchen für das Gefühl der Kroaten, ständig von der EU erpresst zu werden.“

Dieses Gefühl hat dazu geführt, dass nur mehr 47 Prozent der Kroaten für den EU-Beitritt sind, vor 18 Monaten waren es noch mehr als 70 Prozent. Etwas mehr als 40 Prozent sind derzeit gegen eine Mitgliedschaft. Gefallen ist auch die Popularität der Regierung Sanader, die seit mehr als einem Jahr im Amt ist. Den Popularitätsverlust begründet der Meinungsforscher Dragan Bagic so:

„Der Rückgang der Popularität hängt mehr damit zusammen, dass sich aus der Sicht der Bürger die Regierung nur mit der EU befasst. Doch für Wähler der HDZ und der Regierung hat der EU-Beitritt Kroatiens nicht höchste Priorität, sondern es sind dies Fragen wie Arbeitslosigkeit, Lebensstandard und Wirtschaft. Daher haben die Wähler das Gefühl, dass sich die Regierung nicht mit den Themen befasst, die wirklich wichtig sind.“

Die Regierung hat somit in den Augen der Wähler nur auf die EU-Karte gesetzt und viele Reformen vernachlässigt, die wichtig für die Bürger aber auch für den EU-Beitritt sind. Die große Frage ist nun, wie sich eine Verschiebung der Gespräche auf die weitere Bereitschaft und die Kraft der Regierung auswirken wird, schmerzliche Reformen durchzuführen. Dazu sagt der kroatische Wirtschaftsexperte Mladen Vedris

„Wenn das in Enttäuschung und in ein Alibi dafür mündet, nichts zu tun, wäre das nicht gut. Doch die Verschiebung kann zur Fortsetzung der Reformen führen. Das hat Slowenien 1994 sehr erfolgreich begonnen. Slowenien kam zum Schluss, wir können das Datum des EU-Beitritts nicht beeinflussen, doch wir können uns so gut wie möglich darauf vorbereiten. Wenn Kroatien diesen Weg wählt, kann es das angestrebte Beitrittsdatum 2008 oder 2009 erreichen, das nahe bei dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien liegen soll. Für Kroatien wäre es schlecht, wenn der Beitritt erst erfolgt, wenn auch die anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawien beitreten.

Der Fall Gotovina darf nicht als Ausrede für jene dienen, die aus irgendeinem Grund Kroatien derzeit nicht in der EU wollen, vor allem deshalb, weil sie den Beitritt Kroatiens mit der Aufnahme des gesamten Westbalkan verbinden wollen.“

Dieser Westbalkan umfasst Staaten wie Bosnien, Albanien oder Serbien, die auf dem Weg Richtung EU viel weiter zurück sind als Kroatien. Sollte Kroatien auf diese Staaten warten müssen, würde das die Reformbereitschaft zweifellos drastisch schwächen. Die EU-Skepsis dürfte dann in Kroatien ebenso zunehmen wie nationalistische politische Strömungen. Daher ist die EU gefordert, Kroatien morgen nur Bedingungen zu stellen, die die Regierung auch erfüllen kann. Denn schlagende Beweise dafür, dass General Ante Gotovina in Kroatien ist, wurden bisher der Öffentlichkeit nicht vorgelegt. Die volle Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal sollte daher nicht nur davon abhängen, ob der General demnächst tatsächlich gefasst werden kann.

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