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Interview mit Karla Del Ponte

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Berichte Kroatien


Für das ehemalige Jugoslawien wird das Kriegsverbrecher Tribunal in Den Haag immer mehr zur Schlüsselfrage und zum Haupthindernis für die Annäherung an die Europäische Union. So könnte die für Mitte März geplante Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien doch noch verschoben werden, weil der letzte noch gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher nicht gefasst ist. Auch für Serbien und Bosnien-Herzegowina ist die mangelnde Zusammenarbeit mit dem Tribunal das Haupthindernis bei der Annäherung an EU und NATO. Gegründet wurde das UNO-Tribunal im Jahre 1993 als die Kriege im ehemaligen Jugoslawien in vollem Gange waren. Spektakulärstes Verfahren ist der bereits drei Jahre dauernde Prozess gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Seine Auslieferung vor fast fünf Jahren war der bisher größte Erfolg für Chefanklägerin Karla Del Ponte, der bekanntesten Vertreterin des Tribunals. Mit ihr hat unser Balkankorrespondent Christian Wehrschütz in Den Haag gesprochen und folgenden Bericht gestaltet:

Beharrlichkeit ist die Charaktereigenschaft der aus der italienischen Schweiz stammenden 57-jährigen Karla Del Ponte. Vor ihrer Tätigkeit als Chefanklägerin des Haager Tribunals machte sie sich als Ermittlerin gegen Mafia und Geldwäscherei einen Namen. Mit Beharrlichkeit und ohne Rücksicht auf die Stabilität im ehemaligen Jugoslawien verfolgt Del Ponte seit sechs Jahren mutmaßliche Kriegsverbrecher. Im Falle Kroatiens ist das General Ante Gotovina, der für Verbrechen an Serben verantwortlich sein soll. Gotovina ist seit drei Jahren auf der Flucht. Zu seinem Verbleib sagt Karla Del Ponte:

„Meinen Informationen nach ist er in Kroatien, und ich verstehe ganz gut, dass er in Kroatien ist. Denn er könnte nirgends so gut beschützt werden und sich verstecken, als er das in Kroatien tun kann, denn in Kroatien wird er von vielen als Helden betrachtet. Er ist unter Schutz von einer gewissen Schicht der Bevölkerung und der Behörden und ist immer noch auf freiem Fuß in Kroatien. Wir wissen, dass Kroatien versucht, etwas zu tun, aber wir wissen, dass die Regierung zuerst ein Mal vorzieht, dass er sich selbständig stellt.“

Doch das bestreitet die Regierung in Zagreb ebenso wie die Behauptung, Gotovina sei in Kroatien. Der General hat auch einen französischen Pass und könnte bei Kroaten im Ausland untergetaucht sein. Doch Del Pontes Wort wiegt schwer in Brüssel; daher hat Kroatien derzeit schlechte Karten, was den Beginn der EU-Beitrittsgespräche betrifft. Noch schwerer als Ante Gotovina wiegt für die Chefanklägerin, dass die bosnischen Serben Ratko Mladic und Radovan Karadzic noch nicht gefasst sind. Sie sollen für das Massaker an mehr als 7.000 Bosnjaken in Srebrenica verantwortlich sein, dass sich heuer zum zehnten Mal jährt. Dazu sagt Karla Del Ponte:

„Ich sage, es ist ein Skandal, dass im Juli das Gedenken an Srebrenica stattfindet und Karadzic und Mladic sind noch auf der Flucht. Ich habe es auch einigen Behörden gesagt, man sollte nicht wagen das Gesicht in Srebrenica zu zeigen, wenn man Karadic und Mladic nicht verhaftet hat. Denn beide sind die direkten Verantwortlichen für diesen Völkermord.

Wer die beiden schützt und warum, will Del Ponte gegen Jahresende enthüllen, sollten Mladic und Karadzic bis dahin nicht gefasst sein. Mladic ist nach ihren Angaben in Serbien. Doch das ist nur ein Grund, warum Del Ponte mit der Zusammenarbeit Belgrads mit dem Tribunal unzufrieden ist:

„Volle Kooperation mit uns heißt die Verhaftung aller 13 Angeklagten, die dort sind, dass wir Zugang haben zu Unterlagen, dass die Zeugen kommen, also dass wir überhaupt kein Problem mehr haben, und wir haben immer noch unzählige Probleme mit Belgrad. Auch wenn einige Angeklagte freiwillig stellen, dass ist nicht Kooperation, Kooperation ist doch, dass die verhaftet werden und Mladic, Mladic könnten sie in ein paar Stunden verhaften und transferieren.“

Doch die Zeit wird knapp für Del Pontes Jagd. Mehr als 30 Prozesse sind in Vorbereitung und 50 Personen warten im Gefängnis in Den Haag auf den Prozess. Doch alle Verfahren erster Instanz sollen bis 2008 abgeschlossen sein. Dazu zählt der Prozess gegen Slobodan Milosevic, der bereits drei Jahre dauert. Ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann, ist fraglich, denn nur 25 der 1200 Mitarbeiter des Tribunals sind Richter. Sicher ist, dass nur mehr sieben neue Anklagen vorbereitet werden. Ob eine den amtierenden Regierungschef des Kosovo, Ramush Haradinaj, betrifft, lässt Del Ponte offen. Zur Exitstrategie sagt sie:

„Also wir werden mit keinen Anklageschriften mehr herauskommen. Wir sind also dran, alle unsere Prozesse vorzubereiten. Wir hängen natürlich von den Verhaftungen ab, denn ich habe noch immer 18 Angeklagte, die auf der Flucht sind. Wir arbeiten natürlich sehr intensiv an der Übergabe von Fällen an Sarajevo, Belgrad und Zagreb.“

18 Fälle mit 22 Angeklagten sollen an nationale Gerichte übergeben werden. Doch die Prozesse gegen Mladic und Karadzic will Del Ponte auf jeden Fall in Den Haag durchführen, denn sie hofft, die beiden doch noch vor das Tribunal stellen zu können.

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