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Jahresbilanz der kroatischen Regierung

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Berichte Kroatien
Die Staats- und Regierungschefs der EU sollen bei ihrem Gipfeltreffen Mitte Dezember ein konkretes Datum für den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien festlegen. Geplant als Termin ist das Frühjahr. Doch einige EU-Staaten sind gegen den Beginn der Gespräche, weil ihrer Ansicht nach Kroatien nicht genügend ausreichend mit dem Haager Tribunal zusammenarbeitet. Kroatien ist seit Juni Beitrittskandidat. Erreicht hat diesen Status Ministerpräsident Ivo Sanader, die seit fast einem Jahr im Amt ist. Sanader führt eine Minderheitsregierung die von seiner Partei HDZ gebildet und von einigen kleineren Parteien im Parlament in Zagreb unterstützt wird. Über die Lage in Kroatien ein Jahr nach dem Machtwechsel berichtet aus Zagreb unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

Kroatiens Status als EU-Beitrittskandidat ist der größte Erfolg den Ivo Sanader als Ministerpräsident bisher vorzuweisen hat. Denn Sanader hatte zu Beginn international mit massiven Vorbehalten zu kämpfen, weil seine Partei HDZ als sehr nationalistisch galt. Dieses Bild vermochte Sanader aus drei Gründen zu ändern. Erstens band er die serbische Minderheit in die Regierung ein und beschleunigte die Rückkehr serbischer Flüchtlinge. Zweitens spricht Sanader mehrere Fremdsprachen und gilt auch deshalb als überzeugter Europäer. Und drittens lieferte die Regierung mehrere mutmaßliche Kriegsverbrecher an das Haager Tribunal aus. Kroatien bekam dadurch grünes Licht von Chefanklägerin Karla Del Ponte, und die EU beschloss Beitrittsverhandlungen im kommenden Frühjahr aufzunehmen. Festgelegt werden soll der Termin im Dezember. Dazu sagt Ivo Sanader:

„Ich rechne, dass das nicht später als März sein kann, denn Frühjahr 2005 ist nicht Mai. Wir werden alle Gründe dafür geben, dass der Rat diese Entscheidung treffen kann. Es gibt eine klare Verpflichtung meiner Regierung hier voll zusammenzu-arbeiten und das wollen wir auch in Zukunft tun.“

Doch der meistgesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher General Ante Gotovina ist noch flüchtig. Ob er sich in Kroatien versteckt hält ist umstritten. Einige EU-Staaten machen jedenfalls die Aufnahme von Verhandlungen von einer weiteren Bewertung durch das Tribunal abhängig, die demnächst erfolgen soll. Sollten die Gespräche nicht im Frühjahr beginnen, würde das wohl die Anti-EU-Stimmung in Kroatien weiter stärken. Die Zustimmung zur EU ist binnen Jahresfrist von 70 auf etwa 50 Prozent gefallen. Viele Kroaten fürchten, dass die EU höhere Arbeitslosigkeit und niedrigere Löhne mit sich bringen könnte, doch eine Verschiebung der Verhandlungen würde wohl als Brüskierung empfunden. Auch für Ivo Sanader wäre das ein Rückschlag, obwohl er auch auf innenpolitische Erfolge verweist:

„Die Industrieproduktion ist um 3,7 Prozent gewachsen und das Bruttoinlandspro-dukt um 4,5 Prozent. Das sind alles gute Zahlen, die Inflationsrate ist bei zwei Prozent in diesem Jahr. Dazu möchte ich noch sagen, dass die touristische Saison 2004 bisher die erfolgreichste war, nicht nur seit der Unabhängigkeit Kroatiens, sondern es ist die beste Saison aller Zeiten.“

Wirtschaftsexperten wie Mladen Vedris sehen diese Erfolge jedoch nüchterner:

„Eine leichte Wende ist eingetreten, das ist gut aber nicht ausreichend. Angesichts der übernommenen Defizite aus den vergangenen acht Jahren, muss mehr getan werden. Denn die Auslandsverschuldung bleibt hoch, ihre Bedienung ist teuer, und die Arbeitslosenrate zählt noch immer zu den höchsten in den Transitionsländern. Am wichtigsten ist jedoch dass die gesamte Konkurrenzfähigkeit der kroatischen Wirtschaft noch immer auf niedrigem Niveau ist.“

Diese Konkurrenzfähigkeit muss die Regierung ebenso steigern wie die Effizienz von Bürokratie und Gerichtsbarkeit. Ivo Sanader hat somit große Aufgaben zu bewältigen. Dazu braucht er Rückenwind aus Brüssel und keinen Gegenwind, der durch eine Verschiebung der Verhandlungen zweifellos erzeugt werden würde.

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