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Ivo Sanader Ministerpräsident Kroatiens

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Berichte Kroatien
Politiker, die Romanistik und Literaturwissenschaft studiert und ihre Doktorarbeit auf französisch geschrieben haben, sind selten. Zu ihnen zählt der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader, der seine Dissertation über den französischen Dramatiker Jean Anouilh geschrieben hat. Sanader ist seit Ende Dezember Ministerpräsident und führt eine Minderheitsregierung. Seit 1990 ist er in der HDZ, der Kroatischen Demokratischen Union. Nach dem Tod von Partei- und Staatsgründer Franjo Tudjman und der katastrophalen Niederlage der HDZ im Jahre 2000 übernahm Sanader die Partei. Als Vorsitzender führte er sie aus der internationalen Isolation in die Familie der Europäischen Volksparteien. Im Wahlkampf wurde er auch von Bundeskanzler Schüssel ausdrücklich unterstützt. Sanaders Ziel ist es Kroatien binnen vier Jahren in die EU und die NATO zu führen. Seine Beziehungen zu Österreich sind besonders eng, wie Sanader im Gespräch betont, das unser Korrespondent Christian Wehrschütz in Zagreb mit ihm geführt hat.

Wehrschütz „Herr Dr. Sanader, Sie haben eine sehr enge Beziehung zu Österreich. Sie haben 14 Jahre in Tirol gelebt. Wie kommt man aus Split, aus dem Küstenland, in das gebirgige Tirol, was hat Sie dorthin geführt?“

Sanader: „Wie kommt man von Split, von der Adriaküste, nach Tirol ? Das ist einfach, man trifft jemanden, der dir etwas Schönes und Gutes über die Innsbrucker Universität erzählt; und dann entscheidet man sich, weil man in jungen Jahren nicht viel denkt. Für mich war wichtig, vom kommunistischen Jugoslawien weg zu gehen. Meine Eltern waren schon in Stuttgart, in Deutschland, und dann habe ich mich entschlossen. Ich war schon damals ein Jahr lang in Rom und dann habe ich einen Freund, einen Kroaten getroffen, der in Innsbruck schon studiert hat und mir dann über Innsbruck und Tirol erzählt hat. Dann habe ich mich entschossen, doch das Studium in Innsbruck fortzusetzen, bzw. neue Studienfächer anzufangen. Es war am Anfang nicht leicht, weil man zuerst deutsch lernen musste, um erst dann richtig zu studieren, aber ich hab’s geschafft.“

Wehrschütz: „Hat Ihr langer Aufenthalt in Österreich auch Ihr politisches Denken beeinflusst? Gibt es Dinge, Institutionen, die Sie auch in Kroatien einführen möchten oder gibt es umgekehrt auch politische Realitäten, von denen Sie froh sind, dass sie in Kroatien nicht bestehen. Sie gelten beispielsweise als Gegner einer großen Koalition in Kroatien.“

Sanader: „Ich schätze sehr hoch alles, was Österreich errungen hat. Ich habe vieles miterlebt, ich war in den Jahren, in denen man sich formt als Mensch in Österreich und Tirol, habe also praktisch Tirol und Österreich als meine zweite Heimat auch gesehen, und ich glaube, dass Österreich sehr vieles erreicht hat, vor allem im demokratischen Sinne, in der Entwicklung der demokratischen Gesellschaft, in der Aufnahme als volles Mitglied in die EU. Unterschiede gibt es dahingehend, dass ich Kroatien gerne sehe als morgiges Vollmitglied in der NATO, was zum Beispiel in Österreich immer noch zur Debatte steht auf Grund der Neutralität. Ich bin nicht der Gegner der großen Koalition, ich habe sie auch miterlebt in Österreich und ich weiß, dass man die Erfahrung einer großen Koalition gehabt hat. Es hat sich damals so ergeben. In Kroatien sehe ich das anders, ich schließe das nicht aus, theoretisch, hypothetisch, aber ich schließe es aus aus pragmatischen Gründen. Ich glaube, dass in dieser Phase der kroatischen Entwicklung, der Entwicklung der kroatischen Gesellschaft, jede Regierung eine starke Opposition braucht, dass man mehr für Demokratie tun kann, wenn zwei starke Parteien rivalisierend sich gegenüber stehen, als wenn sie miteinander koalieren und dann gibt es die Situation, dass sie eigentlich nur kleinere Parteien als Opposition haben. Es ist immer gut und immer besser, eine starke Opposition im Parlament zu haben, damit man auch fit bleibt als Regierung, wenn man in der Regierung ist, damit man nie vergisst, dass der Wähler die höchste Instanz in der Demokratie ist.“

Wehrschütz: „Neben Ihrer politischen Karriere können Sie auch auf eine lange berufliche Laufbahn zurückblicken, die eigentlich untypisch für einen Politiker ist. Sie haben in Innsbruck Philosophie studiert, in Italien und Frankreich gelebt, wo Sie Ihre Dissertation über den französischen Dramatiker Jean Anouilh geschrieben haben. Sie waren Theaterdirektor in Split, Herausgeber einer Zeitschrift aber auch Privatunternehmer. Sehen Sie sich und Ihre Familie als typisch mitteleuropäisch, als eine Familie, die einen Weg beschritten hat, den auch mehr Kroaten beschreiten können sollten?“

Sanader: „ Ja, ich sehe mich und meine Familie als typisch mitteleuropäische Familie. Ich sage nicht ohne Zufriedenheit, dass auch jetzt mein Bruder mit einer Tirolerin verheiratet ist und in Tirol lebt, dass ein zweiter Bruder mit einer Schweizerin verheiratet ist und in Zürich lebt. Ich glaube, dass jeder Mensch in seinem Leben auch eine Zeit im Ausland verbringen muss, damit er mehr Erfahrung zusammenbringt, denn das was man zu Hause hat, ist nicht alles. Wir sind nicht allein auf dieser Welt und sicherlich hilft jedem in seiner Laufbahn, ein Mal über die Berge hinauf zu schauen, und in einem anderen Land eine Zeit lang zu verbringen und womöglich auch eine Sprache zu lernen, das heißt also, vor allem für Kroatien und das kroatische Volk, das nicht so groß ist, ist von großer Bedeutung, dass man im Ausland Erfahrung sammelt und dann aber zurück nach Kroatien kommt. Wir haben ein schönes Land mit großem Potential und man hier sicher ein gutes Leben führen.“

Wehrschütz: „Warum haben Sie eigentlich Ihre Dissertation über Jean Anouilh geschrieben? Was verbindet Sie mit diesem Dramatiker, der durch Werke wie „Antigone“ oder „Thomas Beckett und die Ehre Gottes“ berühmt geworden ist?“

Sanader: „Jean Anouilh habe ich oft gesehen im Theater. Es hat mich fasziniert, wie dieser französische Dramatiker so viel Erfolg im Theaterleben gehabt hat. Ich bin aber ein anderer Mensch als Jean Anouilh. Er war in seinen Werken eher pessimistisch. Ich hingegen bin jemand, der nie aufgibt, der glaubt, dass man im Leben, wenn man etwas erreichen will, wenn man dafür auch die Voraussetzungen mitbringt, dass das dann auch erreichbar ist. Deshalb bin ich ein ganz anderer Typ als der Jean Anouilh oder die Helden in seinen Stücken.“

Wehrschütz: „Am Ende des ``Thomas Beckett`` sagt der König: „Die Ehre Gottes meine Herrn ist eine wunderbare Sache und man gewinnt am Ende immer, wenn man sie auf seiner Seite hat.“ Welches Verhältnis haben Sie zu Gott und wie sehen Sie die Rolle der katholischen Kirche und das Verhältnis von Kirche und Staat in Kroatien überhaupt?“

Sanader: „Ich glaube an Gott. Mit meiner Familie versuche ich ein Leben einer gläubigen Familie zu führen. Wenn es mir die Arbeit erlaubt, gehe ich auch am Sonntag zur Messe und versuche auch ein praktisches Leben eines Katholiken zu führen. Natürlich mit vielen Fehlern aber das geht halt so im Leben, man darf nur nie aufgeben. Zur Rolle der katholischen Kirche in Kroatien will ich etwas sagen. Diese Rolle hat sich geändert. Seit dem Zerfall Jugoslawiens, seit dem Zeitpunkt, wo der Kommunismus von der politischen Szene verschwunden ist, ist die Rolle der katholischen Kirch in Kroatien eine andere. Während der kommunistischen Diktatur hat die katholische Kirche in Kroatien nicht nur eine religiöse Rolle gespielt, sondern auch eine Rolle der Hoffnung, dass Kroatien auch ein Mal eine nationale Freiheit erfährt. Diese Rolle hat sich aber verändert in dem Augenblick, wo Kroatien seine Unabhängigkeit erreicht hat.“

Wehrschütz: „Sie sind Ministerpräsident und führen derzeit eine Minderheitsregierung im kroatischen Parlament. Sie haben die Unterstützung von kleineren Parteien, von Parteien der nationalen Minderheiten. Ist diese Mehrheit stabil genug, um die schwierigen Reformen durchführen zu können, die sie auf dem Weg Richtung EU und NATO noch brauchen?“

Sanader: „Ich bin sicher, dass diese Regierung genügend Unterstützung im kroatischen Parlament haben wird, denn es geht darum, dass wir 2007 volles Mitglied in der EU und der NATO werden möchten. Ich glaube, dass das ein erreichbares Ziel ist. Ich hoffe sehr, dass auch Österreich und viele andere Länder uns da auf diesem Weg unterstützen werden. Und wenn wir gute Entscheidungen, gute Gesetzesvorlagen machen, dann werden wir viel mehr Unterstützung im Parlament haben. Also ich fürchte überhaupt nicht die Tatsache, dass wir im Moment nur über die knappe Mehrheit im Parlament verfügen. Wenn wir solche Gesetze bringen, die auch nötige Reformen mit sich bringen werden, dann glaube ich, dass wir eine gute Unterstützung im Parlament haben werden. Ansonsten wird es Neuwahlen geben und ich bin sicher, dass die Kroatisch-Demokratische Union, die Partei, die ich führe, noch viel besser abschneiden wird.“

Wehrschütz: „Was sind denn die wichtigsten wirtschaftlichen und sozialen Reformen, die Sie durchführen müssen?“

Sanader: „Es geht darum, dass wir den Lebensstandard der kroatischen Bürger erhöhen. In erster Linie wollen wir eine Steuerreform machen. Wir wollen weniger Staat. Wir haben eine viel kleinere Regierung als die Racan-Regierung mit 20 Ministern war. Wir haben 14 Minister. Wir wollen, dass die Administration als Service für die Bürger funktioniert und nicht, dass sie für sich selber der Zweck wird. Wir wollen vieles vereinfachen. Wenn Sie heute in Kroatien etwas aufmachen wollen als Unternehmer, dann haben sie große Probleme. Wir wollen die Zeit verkleinern, wir wollen die Anzahl der Genehmigungen verkürzen.“

Wehrschütz: „Zu den Verpflichtungen, die Kroatien ebenfalls zu erfüllen hat, auf dem Weg Richtung EU gehören auch zwei andere Themen. Das eine ist die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal, das ander ist die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen, vor allem der serbischen Minderheit. Wie sehen Sie diese beiden Themen im Rahmen Ihrer Regierung?“

Sanader: „Ich habe das mehrmals gesagt, dass die neue Regierung sich verpflichtet fühlt zu diesen internationalen Obligationen, die für Kroatien da sind, das betrifft auch die volle Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal sowie die Rückkehr von Serben, da stehe ich voll dahinter.“

Wehrschütz: „Wie sehen Sie denn die Ära Ihres Parteigründers und Vorgängers Franjo Tudjman. Er war zweifellos der Vater des Vaterlandes, in dem er die staatliche Einheit bewahrt hat. Anderseits wird ihm vorgeworfen, er habe mit Milosevic quasi die Teilung Bosniens vereinbart. Wie sehen Sie die Person von Franjo Tudjman?“

Sanader: „Ich sehe sie positiv, aber ich will mich nicht zu sehr in der Vergangenheit hier einlassen. Ich glaube, dass wir die Zeit verlieren, wenn wir uns viel mit der Vergangenheit beschäftigen. Natürlich darf man die Vergangenheit nie vergessen und man soll aus ihr lernen.“

Wehrschütz: „Kroatien unter Ihrer Führung wird möglicherweise eine nähere Position gegenüber den USA einnehmen als das bei der Vorgänger-Regierung der Fall war. Sie waren dafür, dass Kroatien amerikanischen Soldaten Schutz gewehrt vor einer Auslieferung an das internationale Strafgericht. Sie haben auch den Krieg der USA im Irak unterstützt. Wie sehen Sie den die Position Kroatiens zwischen den USA und Europa und in diesen Fragen und insgesamt?“

Sanader: „Insgesamt sehe ich, dass Amerika immer ein europäischer Freund war und dass wir in Europa unsere großen Probleme, sprich Erster, Zweiter Weltkrieg, sprich der Krieg, den Slobodan Milosevec gegen Kroatien, Slowenien, BiH, Kosovo geführt hat, nicht ohne die Hilfe der Amerikaner lösen konnten. Ich glaube, dass eine transatlantische Kooperation keine Alternative hat, das heißt aber nicht, dass sich Europa an dieser Frage teilen muss und ich war sehr traurig als ich gesehen habe, dass Europa sich hier an dieser Frage teilt. Ich glaube, dass wenn man Amerikaner irgendwo in der Welt zu Hilfe ruft und sie kommen mit ihren Soldaten, dass man dann auch dafür Verständnis haben muss, dass sie auch diese Soldaten im eigenen Land vor Gericht stellen wollen und nicht irgendwo anders, wenn sie gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen haben.“

Wehrschütz: „Kroatien ist nach Slowenien das letzte Land des ehemaligen Jugoslawien, das eine klare EU-Beitrittsperspektive hat. Alle anderen Länder haben diese Perspektive nicht. Bei vielen hat man das Gefühl, es herrscht Dunkelheit am Ende des Tunnels und nicht Licht. Was kann man tun, was kann Europa tun, dass hier die Bevölkerung eine Perspektive erhält, damit sie auch bereit ist, die schwierigen Transitionsprobleme, den schwierigen Übergang, wirklich auszuhalten?“

Sanader: „Man muss allen Ländern in diesem Teil Europas eine klare europäische Perspektive geben. Ich begrüße die Entscheidung der EU in Thessaloniki, wo diese endlich auch zustande gekommen ist, nämlich eine klare EU-Perspektive für diese Länder. Natürlich wird der Weg vieler Länder hier aus diesem Teil Europas verschieden lang. Ich bin sicher, dass Kroatien schon 2007 dieses Ziel erreichen kann, und wir werden helfen auch allen anderen, auch Serbien, Montenegro, BiH, Albanien, Mazedonien, diesen Weg zu gehen.“

Wehrschütz: „Herr Dr. Sanader, wir danken für das Gespräch.“
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