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Der Kosovo und Arigonas Rückkehr

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Berichte Kosovo
Wer dieser Tage von Wien oder Laibach nach Pristina fliegt, gewinnt bereits vor der Landung zwei grundlegende Eindrücke über den Kosovo. In der Maschine sitzen Staatsbürger oder Personen mit einer Aufenthaltsgenehmigung aus ganz Europa, Belgier, Schweizer, Deutsche, doch sie alle gehören einem Volk an, denn alle sind Kosovo-Albaner. Zweitens sind die meisten dieser Passagiere, die auf Heimaturlaub kommen, sehr jung. Der Kosovo hat wohl die jüngste Bevölkerung Europas und wohl auch die höchste Geburtenrate. Sein beinahe einziger Exportartikel waren bisher Arbeitskräfte. Nach Angaben der in Wien ansässigen Wirtschafts-intitiative für den Kosovo (ECiKS) leben mehr als 500.000 Kosovaren in deutschsprachigen Ländern; das entspricht einem Fünftel der Bevölkerung des Kosovo, der etwa so groß ist wie Tirol. Spricht man mit den Reisenden, so sind alle davon überzeugt, dass es noch lange dauern wird, ehe der Kosovo den Lebensstandard der Schweiz oder Deutschlands erreichen wird, doch das gilt natürlich nicht nur für den Kosovo, sondern sogar für Mitglieder der EU.

Der Kosovo selbst ist derzeit gerade im Übergang von den Folgender der Unterdrückung in der Ära des serbischen Autokraten Slobodan Milosevic zu einem Staat, in dem nicht mehr die Folgen der Kriegszeit sondern die Transitionsprobleme dominieren. In die Vergangenheit weisen vor allem noch die Probleme mit dem serbisch besiedelten Norden. Seine Integration in den Gesamtstaat mit der Regierung in Pristina zählt ebenso zu den großen Problemen wie der Prozess der internationalen Anerkennung und der regionalen Integration. Die im Februar 2008 ausgerufene Unabhängigkeit lehnt Serbien weiter strikt ab; auch fünf Staaten der EU haben sie nicht anerkannt, dass erschwert natürlich den Prozess der europäischen Integration inklusive Visa-Freiheit, der drängendste Wunsch der Mehrheit Bevölkerung. Zu den großen Herausforderungen auf dem Weg zu einem modernen Staatswesen zählen aber Probleme, die nur bedingt mit der Statusfrage zu tun haben. eine schlechte, korrupte Verwaltung, Organisierte Kriminalität, bedürftige Infrastruktur von der Straße bis zum Internet, die unterentwickelte Landwirtschaft, eine kaum vorhandene Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, hohe Arbeitslosigkeit und oft unzuverlässige statistische Daten. All diese Defizite werden jedoch verständlich, wenn man bedenkt, dass der Kosovo nach dem NATO-Krieg im Sommer 1999 de facto von Null beginnen musste. Hinzu kommt, dass mit der UNO-Verwaltung und nun mit der EU-Polizei- und Justizmission EULEX ja ausreichend internationale Experten vorhanden waren und sind, deren Bilanz durchaus ihre Schattenseiten hat.

Trotz all dieser Rahmenbedingungen und der Probleme mit Serbien sind aber auch die positiven Veränderungen nicht zu übersehen. Das zeigt etwa die Entwicklung der Gemeinde Peja/Pec im Grenzgebiet zu Montenegro, der Nachbargemeinde in der das Heimatdorf der Familie Zogaj liegt. Nach Angaben des Bürgermeisters Ali Bersiha wurden im Krieg etwa 13.000 Häuser zerstört; die meisten sind nun wieder aufgebaut. Im Großraum von Peja leben etwa 180.000 Personen inklusive serbischer Rückkehrer. Zwar liegt die Arbeitslosenrate bei etwa 37 Prozent, doch das ist weniger als der kosovarische Durchschnitt von 40 bis 45 Prozent. Die großen Leistungen in der Gemeinde aber auch darüber hinaus sind mit zwei albanischen Unternehmern verbunden, mit Ekrem Luka und Ramiz Kelmendi. Lukas Dukagjini Gruppe, die von einer hochmodernen Druckerei über Medien, Immobilien bis zu seinem Anteil an der lokalen Brauerei reicht, machte im Jahr 2008 einen geschätzten Umsatz von 80 Millionen Euro. Die Brauerei selbst gehört mehrheitlich der slowenischen Brauerei Lasko und beschäftigt mehr als 220 Mitarbeiter. Ramiz Kelmendi beschäftigt in seinem Mischkonzern mehr als 1.600 Mitarbeiter, davon 300 in Peja. Er besitzt eine Handelskette mit einem Einkaufszentrum am Stadtrand von Pristina, das durchaus auch in Österreich stehen könnte. Mehr als 80 Prozent der 45.000 Artikel sind noch importiert, doch auch lokale Produkte gibt es bereits wie Tomaten und Milchprodukte. Kelemdi fördert bewusst die kosovarische Landwirtschaft; seine Kette will er nach Albanien, Mazedonien und Montenegro ausdehnen, neue Arbeitskräfte werden aufgenommen. Mit einem konkreten Angebot kann auch Arigona Zogaj rechnen wie Kelemdi im Gespräch mit dem Autor versicherte. Langsam aber sicher lassen sich im Kosovo zunehmend ausländische Firmen nieder, die den Kosovo, nicht zuletzt wegen niedriger Arbeitskosten, als verlängerte Werkbank oder als Standort nutzen. Dazu zählt etwa ein Callcenter in Pristina, weil die Sicherheit der Stromversorgung zunimmt. Besser wird auch die Infrastruktur. Viele Straßen werden in Stand gesetzt und die erste Autobahn an die albanische Grenze ist bereits im Bau.

Die Realität des Kosovo ist somit bei weitem nicht so schwarz, wie sie aus innenpolitischen Gründen in Österreich von so manchen Medien gezeichnet wird. Das zeigt auch der Umstand, dass die Kosovo Serben in den Enklaven des Südens bleiben, deren Ausgangslage weit schwieriger ist als die der albanischen Mehrheit. Natürlich ist das Leben im entwickelten Europa angenehmer, doch trotz aller Probleme ist der Kosovo keine Wüstenei, in der Menschen nicht leben können; denn das ist eine These, die all jene Kosovaren verletzt, die derzeit im Kosovo am Aufbau ihres Landes arbeiten.

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