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Bosnien 15 Jahre nach Dayton

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Berichte Bosnien
Für das ehemalige Jugoslawien ist das heurige Jahr durchaus auch ein Jahr, um eine Zwischenbilanz auf dem Weg Richtung EU und NATO zu ziehen. Im Oktober vor 10 Jahren stürzte in Serbien der Autokrat Slobodan Milosevic; und vor bereits 15 Jahren endete mit dem Friedensvertrag von Dayton der Krieg in Bosnien und Herzegowina. Seit damals ist auch ein Hoher Internationaler Repräsentant im Auftrag von UNO und EU der Hüter dieses Vertrages. Derzeitiger Internationaler Repräsentant ist der Österreicher Valentin Inzko. Mit ihm hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz beim Europäischen Forum Alpbach eine Bilanz über die Entwicklung in Bosnien seit Dayton gezogen; hier sein Bericht:

Die Friedensverhandlungen fanden auf der Militärbasis Dayton, im USA-Bundestaat Ohio statt, die dem Friedensvertrag auch ihren Namen gab. Unter der Federführung der USA und der EU verhandelten die drei bosnischen Kriegsparteien: Serben, Bosniaken und Kroaten, sowie die beiden späteren Garantiemächte, Kroatien und Serbien. Geschaffen wurde mit dem Friedensschluss zunächst ein schwacher, kaum lebensfähiger Staat. Dieses Gebilde habe sich jedoch durchaus positiv entwickelt, betont der Hohe internationale Repräsentant, Valentin Inzko:

„Nach dem Krieg gab es lediglich drei Ministerien. Heute gibt es neun Ministerien, darunter auch ein Verteidigungsministerium, ein gemeinsames Verteidigungsministerium, was noch 1996. als ich Botschafter in Sarajevo war, völlig unvorstellbar war. Es gibt also alle staatliche Symbole, die Fahne, die Hymne, es gibt noch keinen Text, aber das gibt´s in Spanien auch nicht. Es gibt einen gemeinsamen Reisepass, eine starke Währung usw. Es gibt doch viele staatliche Agenturen.“

Doch der Vertrag von Dayton hatte auch große Schwächen, unter denen Bosnien und Herzegowina bis heute leidet. Geschaffen wurde ein sehr kompliziertes Staatswesen, mit zwei Teilstaaten, zehn Kantonen, vierzehn Regierungen und mehr als 700 Abgeordneten. Der Streit um die Staatsreform lähmte das Land in den vergangenen vier Jahren, in denen es kaum große Reformen gab. Die Gründe für den Stillstand beschreibt Inzko so:

„Wenn man das ganz fundamental betrachtet, sind es die verschiedenen Vorstellungen, die total verschiedenen Vorstellungen über das Wesen des Staates. Es gibt einige bosniakische, muslimische Politiker, für die ist der Staat alles und da gibt es auf der anderen Seite vor allem serbische Politiker und auch einige kroatische, für die ist die Entität oder das Bundesland alles. Diese Kluft zu überbrücken, das ist sehr, sehr schwierig.“

Die Staatsreform als Voraussetzung für die weitere EU-Annäherung zählte zu den größeren Aufgaben die in Bosnien nach den Wahlen im Oktober in Angriff genommen werden müsse. Zu den weiteren Herausforderungen sagt Inzko:

„In Bosnien gibt es offiziell 43 Prozent Arbeitslose, de facto wahrscheinlich aber 23-24 Prozent; der Rest arbeitet schwarz, ist nicht angemeldet. Das größte Problem ist die Wirtschaft. Die Wirtschaft muss sofort angekurbelt werden. Und das zweite, der Rechtstaat muss gestärkt werden. Konkret, der Kampf gegen die Korruption muss aufgenommen werden und gegen die organisierte Kriminalität. Das ist meines Achtens das größte Problem am Balkan.“

Entscheidend ist für den Hohen Repräsentanten, dass Bosnien und Herzegowina endlich die wirtschaftlichen Potenziale besser nützt, über die das Land zweifellos verfügt. Folgende Beispiele nennt Inzko:

„Bosnien exportiert Strom; es ist der einzige Staat, der am Balkan Strom exportiert, hat aber noch 64 Prozent der Wasserkraft ungenützt. Also da gibt es gigantische Potenziale. Dann gibt es große Möglichkeiten im Ausbau der Infrastruktur, alle Autobahnen sollen gebaut werden, und es gibt auch Geld von der EBRD, von der Weltbank, von anderen Banken; und erfreulicherweise, das sieht man schon, wenn man nach Mostar fährt oder nach Medjugorje, es gibt ein großes Potenzial im Bereich Tourismus.“

Trotz dieser positiven Ansätze wiegt die Erblast des Krieges auch 15 Jahre nach dem Friedensschluss noch immer schwer. Zum Prozess der Aussöhnung sagt Valentin Inzko:

„Es wird heuer zum ersten Mal eine Generation zu den Wahlen gehen, die sich an den Krieg selbst nicht mehr erinnert, die im Krieg drei Jahre alt war. Die sind jetzt 18 Jahre alt und da verbinde ich schon große Hoffnungen mit dieser neuen Generation, aber ich glaube die Aufarbeitung, die von der älteren Generation kommen muss, das werden die Eltern machen müssen. Es wird aber glaube ich noch lange dauern, wahrscheinlich noch eine oder zwei Generationen. Aber durch diesen Prozess muss jedes Land durch, jedes, ob Deutschland, Österreich oder Bosnien.“

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