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Bosnien vor der Wahl

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Berichte Bosnien
In Bosnien und Herzegowina finden morgen Parlamentswahlen statt. Um die Stimmen der 2,7 Millionen Wahlberechtigten bewerben sich mehr als 7.200 Kandidaten aus 36 Parteien und acht Wahlbündnissen. Außerdem treten noch 12 unabhängige Kandidaten an. Geprägt war der Wahlkampf wieder von nationalistischen Tönen der Parteien der drei dominanten Volksgruppen, der Bosnjaken, Serben und Kroaten. Dadurch versuchen vor allem die nationalistischen Parteien ihre jeweilige Volksgruppe bei der Stange zu halten. Dieses Rezept hat in Bosnien seit dem Ende des Bürgerkrieges vor 11 Jahren mit einer Ausnahme bei jeder Wahl funktioniert. Das ist mit ein Grund dafür, dass es bisher nicht gelungen ist, das komplizierte Staatsgebilde lebensfähig zu machen; es besteht aus einem Gesamtstaat, zwei Teilstaaten, der bosnjakisch-kroatischen Föderation und der Republika Srpska, sowie dem autonomen Distrikt Brcko. Die Reform dieses bürokratischen Monsters war denn auch eines der Themen des Wahlkampfes, den unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz in Bosnien verfolgt hat. Hier sein Bericht:

Mit vier Millionen Einwohnern ist Bosnien-Herzegowina halb so groß wie Österreich. Während in Österreich morgen jedoch nur der Nationalrat gewählt wird, sieht die Lage in Bosnien anders aus. Gewählt werden: die drei Mitglieder des Staatspräsidiums, das gesamtstaatliche Parlament, die Parlamente und der zwei Teilstaaten, der Präsident des serbischen Teilstaates, sowie im bosnisch-kroatischen Landesteil auch noch die zehn Parlamente der Kantone. Geschaffen wurden diese Institutionen mit dem Friedensvertrag von Dayton, der 1995 einen dreijährigen Bürgerkrieg beendete. Seit dem ist es nicht gelungen, einen Ausweg aus diesem bürokratischen Dschungel zu finden, in dem sich vor allem nationalistische Parteien mit vorwiegend westlichem Geld jahrelang recht bequem eingerichtet haben. Ebenfalls nicht neu waren auch die nationalistischen Töne des Wahlkampfs. Sie waren dieses Mal, vor allem zwischen Bosnjaken und Serben zu vernehmen, denn im kroatischen Landesteil ist die einst mächtige HDZ in mehrere Kleinparteien zerfallen. Die Extreme verkörperten der ehemalige bosnische Außenminister Haris Silajdzic und Serbe Milorad Dodik. Silajdzic und seine Partei für Bosnien-Herzegowina wollen die beiden Teilstaaten abschaffen, wobei den Einheitsstaat dann die Bosnjaken als größte Volksgruppe dominieren würden. Am anderen Ende des Spektrums stehen der Regierungschef des serbischen Teilstaates Milorad Dodik und seine Partei der Unabhängigen Sozialdemokraten. Dodik fordert auch für seine Serben das Recht, in einem Referendum über den Verbleib bei Bosnien zu entscheiden. Bosnjaken und EU lehnten strikt ab, doch seine serbischen Wähler dürfte Dodik beeindruckt haben, zumal er auch von Belgrad unterstützt wird. Dodik könnte daher die Vorherrschaft der Partei SDS brechen, die einst Radovan Karadjic gegründet hat. Ob diese Rechnungen aufgehen, wird man erst einige Tage nach der Wahl wissen. Seriöse Umfragen sind Mangelware und das komplizierte Wahlrecht verzögert klare Ergebnisse. Klar ist dagegen, dass die Kluft zwischen Bosnjaken, Serben und Kroaten noch immer sehr groß ist. Zwar gibt es nun eine einheitliche Mehrwertsteuer und einheitliche Zölle, doch die Reform der Verfassung und der Polizei sind gescheitert und die EU-Annäherung verläuft im Kriechgang. Korruption, Ineffizienz der Verwaltung, hohe Arbeitslosigkeit gemildert durch Schattenwirtschaft sowie eine massive Frustration in der Bevölkerung prägen das Bild. Ob daher im Frühsommer dass Amt des Hohen EU-Repräsentanten mit seinen umfassenden Vollmachten tatsächlich abgeschafft werden kann, ist zweifelhaft. Unzweifelhaft ist jedoch, dass Bosnien nach wie vor eher einem gescheiterten Gebilde, denn einem Staat gleicht, der eine glaubhafte EU-Perspektive vor sich hat.

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