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Der Internationale Strafgerichtshof und Gaddafi

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Beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, dem ICC, bereitet man sich schrittweise auf die Ankunft von Moammar Al Gaddafi vor. Ermöglich hat die Zuständigkeit dieses Gerichts die Resolution 1970. Darin übertrug der Sicherheitsrat dem Strafgericht die Zuständigkeit, obwohl Libyien nicht zu den bisher 116 Unterzeichnerstaaten des Status des ICC zählt. Dieses Verfahren wäre das erste gegen einen Staatschef seit dem Prozess vor dem Haager Tribunal gegen Slobodan Milosevic, der jedoch durch seinen Tod in der Zelle ohne Urteil endete. Wie läuft nun ein derartiger Prozess ab, welche Bedeutung hat er für Gericht und für die internationale Justiz. Darüber hat beim Europäischen Forum Alpbach unser Korrespondent Christian Wehrschütz mit Christian Wenaweser gesprochen. Der 47-jährige Liechtensteiner ist seit drei Jahren Präsident jener Staatengruppe, die das Statut des ICC unterzeichnet haben. Hier nun der Bericht:

Sehr geehrter Herr Wenaweser!

CW: Mit welcher weiteren Vorgangsweise rechnen Sie jetzt in Libyen was Moammar al Gaddafi, seinen Sohn und den Geheimdienstchef betrifft. Alle drei sollen ja in Den Haag vom Internationalen Strafgerichtshof zur Verantwortung gezogen werden?

W: "Was geschehen sollte, und was ich hoffe, dass jetzt geschehen wird, ist, dass er einfach festgenommen wird; ich nehme an, von der neuen Regierung, von der Übergangsregierung; die haben sich im Grunde dazu verpflichtet, ihn nach Den Haag zu überstellen, was ich persönlich sehr, sehr begrüßen würde. Ich glaube, dass wäre ein sehr wichtiger Sieg - jetzt nicht einfach für den Strafgerichtshof, sondern einfach insgesamt für die internationale Justiz."

CW: Welche Möglichkeiten hat Libyen konkret das Verfahren gegen Gaddafi vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu beeinspruchen, sollte der Wunsch bestehen ihn in Tripolis vor ein Gericht zu stellen?

W: "Sie würden vor dem ICC präsentieren, warum, weshalb, und unter welchen Umständen sie Herrn Gaddafi vor den nationalen Gerichten aburteilen wollen. In diesem Fall würde das der Gerichtshof dann überprüfen hinsichtlich Rechtslage in Libyen, judizielle Institutionen usw."

CW: Wer hat dann das letzte Wort, der Internationale Strafgerichtshof oder Libyen?

W: "Das letzte Wort hat eigentlich der ICC und könnte dann eigentlich entscheiden, ja, es ist in Ordnung, dass die Libyer das machen, oder nein, wir sind der Auffassung, dass danach rechtsstaatlichen oder was immer auch für Kriterien nicht möglich ist."

CW: Wie läuft ein derartiges Verfahren eigentlich ab?

W: "Das beginnt dann mit dem ersten Auftreten vor Gericht; dann kommt die sogenannte "confirmation of charges", also die Anklagepunkte werden bestätigt, und dann Präsentation der Anklageschrift, Einvernehmung von Zeugen und so weiter."

Könnte sich Gaddafi auch selbst verteidigen?

W: "Das ist juristisch nicht unmöglich; diese Möglichkeit gibt es im Grunde, das wäre aber bestimmt in diesem Fall besonders wenig hilfreich."

CW: Welche Bedeutung hätte der Prozess gegen Gaddafi für den Internationalen Strafgerichtshof, dessen bisherige Tätigkeit noch keine besondere mediale Aufmerksamkeit gefunden hat?

W: "Natürlich, so etwas wie Gaddafi, das entspricht dann dem Wert von Milosevic für das Jugoslawien-Tribunal; es ist nicht so, dass bisher nur ganz, ganz kleine Fische da wären; das sind wichtige Milizenführer, die vor Gericht stehen in Den Haag und Jean-Pierre Bemba, das war ein ehemaliger Vizepremier des Kongo, aber natürlich ist niemand dabei, der jetzt diese Prominenz hat wie Gaddafi."

CW: Abgesehen von Gaddafi gibt es etwa noch den Präsidenten Syriens und andere, denen ebenfalls massive Verbrechen gegen die Menschenrechte vorgeworfen werden. Wie beurteilen Sie diese selektive Gerechtigkeit, ist das nicht ein Problem?

W: " Das ist bestimmt ein Problem, das ist auch ein Problem in der Wahrnehmung, das ist auch ein Problem in der Praxis; man muss einfach ganz klar sehen, wo da die Verantwortung liegt, und die liegt beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Wenn man Libyen und Syrien nimmt, das sind alles Staaten, die nicht Vertragsparteien sind, in welchen der Gerichtshof deshalb keine Gerichtsbarkeit hat; d.h., die einzige Art wie Gerichtsbarkeit ausgeübt werden kann, ist, wenn der Sicherheitsrat etwas entsprechendes beschließt, was er im Fall Libyen getan hat, im Fall Syrien nicht. Die selektive Gerechtigkeit, wenn man diesen Begriff verwenden will, die hat ihren Ursprung dann im Sicherheitsrat der UNO, das ein politisches Gremium ist, und nicht im Gerichtshof, und das ist sehr wichtig."

Herr Wenaweser, wir danken für das Gespräch

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