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202502 ORFIII Der demographische Absturz der Ukraine Wehrsch Mod

Fernsehen
ORF III
Berichte Ukraine

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Kiew

Inserts: Ella Libanova, Demographin in der Ukraine

Gesamtlänge: 3’41

Krieg, Besatzung, Auswanderung, niedrige Geburtenrate und hohe Sterblichkeit sind die Faktoren, die in der Ukraine zu einem derart drastischen Rückgang der Bevölkerung geführt haben. Ungünstig ist dabei noch die Struktur der etwa 30 Millionen Einwohner; mehr als ein Drittel sind Pensionisten, etwa die Hälfte ist im arbeitsfähigen Alter, erläutert mir in Kiew Ella Libanova, die führende Demographin der Ukraine, die Lage. Wie bewertet sie eine mögliche Senkung des Mobilisierungsalters von 25 auf 18 Jahre:

17‘19
Lesen Sie ernsthafte Sozialpsychologen, britische beispielsweise. Sie alle sagen, dass psychologische Reife bei etwa 25 Jahren liegt.18jährige sind psychologisch noch unreife Menschen. Physisch ja, sie können rennen, aber sie verstehen nicht, was sie tun müssen, um ihr Leben zu bewahren. Meine Großväter und mein Vater haben den Zweiten Weltkrieg durchlebt. Sie haben mir nicht viel erzählt, aber aus dem, was sie erzählt haben, habe ich verstanden, dass am meisten die starben, die mit 18 Jahren an die Front kamen. Wenn wir sie jetzt schicken, werden wir mehr Verluste haben als bei erwachsenen Menschen. Kanonenfutter. Deshalb sind wir dagegen.“

Negativ sind derzeit die Indikatoren der Bevölkerungsentwicklung; so werden pro Frau nur 0,7 Kinder geboren, sprich auf 100 Frauen kommen nur mehr 70 Kinder. Wie schwierig wird es sein, diesen Trend nach Kriegsende zu ändern. Ella Libanova ist optimistisch gestimmt:

21’22:

Es ist sehr schwer, etwas zu ändern, wenn der Prozess evolutionär verläuft. Nun, bei uns kann von evolutionär überhaupt keine Rede sein. Sobald die heiße Phase des Krieges endet, wird sich die Situation schnell zu ändern beginnen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Geburtenrate, auf nicht viel, aber auf anderthalb Kinder pro Frau erhöhen können. Das ist fast doppelt so viel wie jetzt. Mit der Sterblichkeit ist die Lage schlechter, denn wir verstehen nicht ganz, was gerade passiert. Wir glauben, dass die durchschnittliche Lebensdauer von Männern heute 57 Jahre beträgt.“

Doch wie kommt man in Zeiten des Krieges und massiver Migration überhaupt an einigermaßen zuverlässige Daten, frage ich abschließend Ella Libanova?

1‘31
„Mobiltelefone funktionieren. Wir haben eine Vereinbarung mit den drei größten Mobilfunkanbietern. Sie decken auf jeden Fall 90 Prozent des Marktes ab. Es gibt eine komplizierte Methode, weil man die Unternehmenstelefone von den individuellen Telefonen trennen muss. Sagen wir, ich habe zwei SIM-Karten, man muss herausfinden, welche die Hauptkarte ist und welche die unterstützende. Glauben Sie mir, das ist sehr kompliziert. Dazu beziehen wir Informationen von allen verfügbaren Registern in der Ukraine. Das sind der Pensionsfonds, die Finanzämter, das Register des Bildungsministeriums, weil dort, nun ja, Kinder sind, sowie das Gesundheitsregister.“

Keine Antwort hat die Demographin auf die Frage, wie viele ins Ausland geflüchtete Ukrainer nach dem Krieg zurückkehren werden. Ihre Zahl hängt von der Dauer des Krieges, vom Tempo des Wiederaufbaus und davon ab, wie umfassend die Integration der Geflüchteten in ihre Gastländer dann bereits ist.

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