20250223 ORFIII Erwartungen der Ukraine von Trump Wehrschütz Mod
Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA hat der Suche nach einem Ende des Ukraine-Krieges neue Impulse verliehen. Auch bei seiner Inauguration gestern in Washington rief Trump den russischen Präsidenten Vladimir Putin auf, eine Friedenslösung für die Ukraine zu finden. Ein Treffen zwischen Trump und Putin soll in den kommenden Wochen stattfinden. Genau verfolgt wird die Einwicklung in den USA zwangsläufig auch in der Ukraine, die vermeiden will, unter die Räder einer Vereinbarung zwischen Washington und Moskau zu kommen. Unter dem Titel „Trump 2.0 – Was macht die Ukraine“ fand am Tag der Inauguration eine Konferenz in Kiew statt, an der ehemalige diplomatische Vertreter der Ukraine in den USA teilnahmen; mit dabei war auch unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz:
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Kiew
Insert1: Oleh Schamschur, Botschafter der Ukraine zwischen 2005 und 2010
Insert2: Oleh Schamschur, Botschafter der Ukraine zwischen 2005 und 2010
Insert3: Volodimir Gavrilov, ehemalige Verteidigungsattaché in den USA
Insert4: Volodimir Gavrilov, ehemalige Verteidigungsattaché in den USA
Gesamtlänge: 4’53
Anders als im Wahlkampf vor der ersten Amtszeit von Donald Trump hat sich die Ukraine in diesem Wahlkampf weitgehend neutral verhalten und auch schon sehr rasch versucht, Kontakt zu jenen Beratern herzustellen, die nun für die Ukraine zuständig sein werden. Dazu beigetragen hat eine weitverbreitete Enttäuschung über die Art und Weise, wie die USA unter Joe Biden Hilfe geleistet haben. Trotzdem sieht etwa Oleh Schamschur, Botschafter der Ukraine zwischen 2005 und 2010 in Donald Trump ein ernsthaftes Risiko:
„Man muss verstehen, dass Trump den absoluten Wunsch hat, die Hände freizubekommen, um innere Probleme zu lösen, die in erster Linie mit der Wirtschaft und der Migration zusammenhängen. Zweitens will er sich auf das Hauptproblem der Außenpolitik konzentrieren, auf die Beziehungen zu China. Um dies zu erreichen, muss er den Krieg in der Ukraine beenden. Trump kann die Probleme lösen, aber er wird dies nur aus seinen eigenen Interessen tun. Deshalb wird er sich nicht um unsere Interessen kümmern. Wenn man aus seiner Sicht einen möglichen Druck für das Ende des Krieges betrachtet, dann wird dieser Druck in erster Linie, denke ich, auf die Ukraine als das schwächere Land ausgeübt werden.“
Als besonders beunruhigend wertet Oleh Schamschur jedoch eine seiner Ansicht nach bestehende Übereinstimmung in den Weltanschauungen von Donald Trump und Vladimir Putin:
„Wenn man sich alles ansieht, was zwischen der Wahl Trumps und seiner Amtseinführung passiert ist, sind die gefährlichsten Aussagen für uns die, die nichts mit der Ukraine zu tun haben – über den Panamakanal, über Kanada oder Grönland. Sie zeigen, dass Trumps Weltanschauung eine Weltanschauung ist, in der es für große Länder wie die USA eine Regel gibt und für schwächere Länder eine andere. Und schwächere Länder müssen ihre Interessen unter Berücksichtigung der Interessen der großen Spieler wahrnehmen. Und diese Weltanschauung Trumps ähnelt sehr der Ansicht Putins. Und das ist für uns ein sehr beunruhigendes Signal.“
Weniger pessimistisch sieht der ehemalige Verteidigungsattaché in den USA, Volodimir Gavrilov, die Entwicklungen in den USA. Den neuen Sondergesandten der USA für die Ukraine, Keith Kellogg, hält er für sehr kompetent, und von den Gesprächen zwischen Donald Trump und Vladimir Putin erwartet er nicht viel. Daher folgert Volodimir Gavrilov:
„Es gibt es jetzt ein Verständnis dafür, dass dieser Krieg für die Ukraine mit technologischem Vorteil gewonnen werden muss. Das bedeutet Zugang zu Technologien, um den Feind präzise bis in eine Tiefe von 200 Kilometern zu treffen. Diese Technologien gibt es im Westen. Wir machen das schrittweise selbst, aber mit den USA und Europa lässt sich das schneller umzusetzen. Die Biden-Administration hat faktisch nichts Radikales unternommen, um uns Zugang zu diesen Technologien zu gewähren. Selbst kleinere Dinge sind lange in der Bürokratie des Außenministeriums und des Pentagon stecken geblieben. Wenn Trump nach Gesprächen mit Putin zum Schluss kommt, dass es keine Möglichkeit einer Vereinbarung gibt - und er wird schnell zu diesem Schluss kommen - wird der Grad der Hilfe nicht in Milliarden Dollar oder Millionen von Granaten gemessen, sondern in Technologien, die sie uns sehr schnell übergeben werden, um die Situation auf dem Schlachtfeld zu verändern.“
Regelmäßige Treffen auf der Militärbasis Ramstein in Deutschland zählten zu den wichtigsten Koordinierungsmechanismen der multilateralen Militärhilfe für die Ukraine. Geschaffen auf Initiative der USA und Großbritanniens waren die USA lange federführend bei diesem Treffen. Das habe sich bereits vor der Wahl von Donald Trumpf geändert.
„Bereits im Jahr 2024 gab es ein Verständnis in der NATO und unter den NATO-Staaten, dass es politische Veränderungen in den USA geben könnte, und dementsprechend wurde dieses Format, Ramstein und andere, in ein NATO-Format umgewandelt. Ab 25 wird faktisch jede militärische Entscheidung zu Fragen der Ukraine in einem separaten Mechanismus getroffen, der ebenfalls in Deutschland basiert, wo die NATO-Staaten eine größere Rolle spielen werden. Daher unterstützen die USA und Joe Biden die Variante eines NATO-Hilfszentrums für die Ukraine, das bereits zu arbeiten beginnt. Von der Ukraine wurde bereits ein Brigadegeneral dorthin ernannt, der diese Angelegenheit begleiten wird. Daher müssen wir uns keine Sorgen um den militärischen Teil machen, denn dort wird alles normal verlaufen.“
Für die Ukraine sei es im Verhältnis zu den USA daher vordringlich, sich um politische und diplomatische Fragen zu kümmern, betont in Kiew der ehemalige ukrainische Verteidigungsattaché.