20240909 ORFIII Reportage aus frontnahen Gebieten Ostukraine Wehrsch Mod
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine
Insert1: Julia (41), Lehrerin aus Mirnohrad
Insert2: Julia (41), Lehrerin aus Mirnohrad
Insert3: Slavik, Fahrer eines Rettungsautos
Insert4: Svetlana, freiwillige Helferin in der Ostukraine
Insert5: Tatjana, freiwillige Helferin in der Ostukraine
Gesamtlänge: 3’35
Eine Fahrt durch Mirnohrad zeigt, wie sehr diese Stadt bereits vom Krieg gezeichnet ist. Ukrainisches Gegenfeuer ist wiederholt zu hören, ein Zeichen für die Nähe der Front. Wie viele der einst 46.000 Einwohner noch in Mirnohrad sind, ist unklar. Aus diesem Wohnblock wurden nun drei Personen evakuiert; der alte Mann ist bettlägerig; der Lift funktioniert nicht mehr; der Transport aus dem achten Stock gelingt nur dank zweier Nachbarn; warum haben die drei so lange gewartet?
16'6 - Warum so lange geblieben - 25'6
"Wir hofften, dass es besser wird, doch dem war nicht so; daher wollen wir jetzt weg."
Wie ist die Versorgungslage?
1'01'1 - Geschlossene Geschäfte - 1'09'4
"Nur mehr sehr wenige Geschäfte haben offen; Strom und Gas werden schrittweise abgeschaltet."
Evakuiert werden die drei durch eine private Hilfsorganisation; sie fährt auch Orte unmittelbar an der Front an. Bleiben nur Alte zurück?
SLAVIK 50'3 - Wer ist geblieben - 58'9
"Je weiter weg von der Front, desto jünger."
Auch in der Nachbarstadt Pokrovsk geht die Zahl der Einwohner sichtbar zurück; beim Besuch vor drei Wochen war das Leben noch recht rege; nun sind immer mehr Geschäfte geschlossen und immer weniger Zivilisten bevölkern das Zentrum, während die Barrikaden der Fenster zunehmen; das zeigt diese Bank, die nun ihren Betrieb ebenso eingestellt hat wie der Bahnhof seine Evakuierungen.
Dafür sind private Organisationen nach wie vor im Einsatz. Für Flüchtlinge haben freiwillige Helfer Transitunterkünfte mehrere Kilometer hinter der Front eingerichtet. Dazu dienen ehemalige Kindergärten wie hier in Konstantinowka. Gegründet hat diese Unterkunft eine Frau, die selbst ein Flüchtling ist und den russischen Truppen in ihrer Heimatstadt Bachmut weichen musste:
Svitlana 8'42'6 - Hilfe und erste Anlaufstation - 9'10'3
"Wir machen hier alles gratis für die Menschen; kochen, waschen, aufräumen, nähen. Die Menschen bleiben hier ein, zwei Tage, um sich zu Recht zu finden und zu sich zu kommen. Dazu zählt die Planung der Weiterreise, sollten die Menschen noch nicht wissen, wohin. Auch dabei helfen wir gemeinsam mit anderen Organisationen."
Ein weiteres, aber größeres Transitlager steht in der Stadt Druschkiwka; auch hier wird ein ehemaliger Kindergarten genutzt. Plätze gibt es hier für mehr als 80 Flüchtlinge. Tatiana führt dieses Zentrum, auch sie ist ein Flüchtling aus der Stadt Bachmut. Es herrscht reges Kommen und Gehen:
4'09'6 - Kommen und Gehen - 4'24'3
"Das ist ein Transitlager; heute früh hatten wir 27 Personen, doch die wurden bereits evakuiert."
Tatiana strahlt Energie und Einsatzfreude aus. Angelegt hat sie einen eigenen Gemüsegarten, denn Selbstversorger haben weniger Kosten, wobei auch dieses Lager von Spenden lebt. Knapp vor Ende unseres Besuches kommen tatsächlich neue Flüchtlinge ins Lager. Diese Mutter mit ihrem Sohn will zu ihrer Schwester nach Deutschland. Dagegen wollen Nastia und ihre Mutter in den Raum Kiew. Mitgenommen hat die 14-Jährige ihr liebstes Stofftier, während sie das Einhorn zurücklassen musste.
Zu evakuieren gilt es auch diesen privaten Zoo auf der Strecke zwischen Pokrovsk und Mirnohrad. Das Personal tut sein Möglichstes, doch die Bedingungen werden immer schlechter, wobei eine artgerechte Haltung wohl auch vor dem Krieg nicht gegeben war.