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20240616 ORFIII Ukraine und die demographische Lage Wehrschütz Mod

Fernsehen
ORFIII
Berichte Ukraine

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ukraine

Inserts: Ella Libanowa, Demographin und Universitätsprofessorin in Kiew

Gesamtlänge: 3’02

Ella Libanowa gilt als die Koryphäe für Demographie in der Ukraine, mit der sich die Professorin schon seit mehr als 40 Jahren befasst. Doch wie ermittelt man in Zeiten von Krieg, Flucht und Vertreibung zuverlässige statistische Daten? Zunächst räumt die Expertin ein, dass es keine völlig zuverlässigen Angaben gäbe; die Methode sei jedenfalls kompliziert:

2’44 Libanowa:
„Wir verwenden eine Methode, die auf den Daten von Mobilfunkanbietern basiert. Wir haben eine Vereinbarung mit den drei größten Mobilfunkanbietern in der Ukraine, die praktisch 90 Prozent der Bevölkerung abdecken. Die Methodik ist komplex; Nun, sagen wir, ich habe zwei Mobiltelefone. Da muss man das Hauptgerät herausfinden, sehen, wo es nachts ist, und so weiter. Dazu fügen wir Daten aus dem Steuerregister und dem Register des Rentenfonds hinzu. Wir verwenden die Daten des Bildungsministeriums, die sich auf Schulkinder beziehen, und wir verwenden die Daten des E-Health-Registers, also des medizinischen Registers. Praktisch alles, was verfügbar ist, nutzen wir.

Die Ergebnisse dieser Methode sind für die Ukraine ernüchternd. Von mehr als 40 Millionen vor dem Krieg dürfte die Zahl der Einwohner nun auf 31 Millionen gesunken sein; ein Drittel davon sind Pensionisten. Die Geburtenrate ist drastisch gesunken, die Lebenserwartungen auch, und zwar bei Männern von 66 auf 57 Jahre und bei Frauen von 76 auf 71 Jahre. Bei Männern spielt zwangsläufig der Kriegseinsatz eine Rolle; die Ursachen bei Frauen erläutert Ella Libanowa so:

21:32 Libanowa:
„Bei uns ist die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark gestiegen, ständiger Stress. Zweitens gab es einen Strukturwandel. Viele junge Frauen sind ausgewandert, ältere Frauen sind geblieben und sterben entsprechend häufiger.“

Mit Skepsis steht Libanowa den Angaben über die Millionen Ukrainer gegenüber, die ins Ausland geflüchtet sein sollen. Am verlässlichsten seien noch die Angaben von Eurostat, die bei sechs Millionen liegen. Klar sei aber, dass immer weniger zurückkehren würden, je länger der Krieg dauere:

5'25'9 - Rückkehrer - 6'05'8
Als wir im Jahre 2022 die ins Ausland geflüchteten Ukrainer nach ihren Zukunftsplänen fragten, sagten 90 Prozent, dass sie unbedingt zurückkehren werden. Sie haben nicht gelogen. Sie dachten damals wirklich so. Jetzt hat sich die Situation geändert. Jetzt spricht etwa die Hälfte über eine Rückkehr. Ich befürchte, dass es noch weniger werden; am Balkan kehrte nach den Kriegen nur ein Drittel zurück.“

Welchen Aderlass das für die Ukraine bedeuten dürfte, zeigt der Umstand, dass nur sechs Prozent der Geflüchteten älter als 65 Jahre sind.

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