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Interview IAEA Grossi

Zeitung
Kronen Zeitung
Berichte Ukraine

CW: Bei der Katastrophe in Japan im AKW Fukushima fielen die Kühlsysteme für die Reaktoren aus, bzw. wurden zerstört. Wie groß ist diese Gefahr in der Ukraine?
RG: "Ein sehr großes Risiko bildet der Verlust der externen Stromversorgung; verliert man sie, verliert man die Kühlfunktion, und dann besteht das Risiko einer Kernschmelze - das ist genau das, was in Japan in Fukushima passiert ist. Dort schalteten ich die Reaktoren beim Erdbeben ab wie eine Schweizer Uhr, doch die Flutwelle zerstörte die Dieselgeneratoren, die im Notfall die Reaktoren kühlen sollten. In Saporishija ging bereits sechs Mal die gesamte externe Stromversorgung verloren, obwohl das AKW verschiedene Formen der Stromversorgung hat, und so mussten die Notfallgeneratoren anspringen."

CW: Für wie lange reichen die Vorräte an Diesel für diese Generatoren?
RG: "Für zehn Tage oder zwei Wochen."

CW: Im AKW Saporishija arbeiten noch etwa 3.000 Personen; ihnen bietet die IAEA medizinische und psychologische Betreuung an. Wie ist die Lage der Mitarbeiter?

RG: "Sie befinden sich zwischen Hammer und Amboss, das ist die Realität. Viele gingen vor allem zu Beginn des Konflikts weg, und zwar auf ukrainisch-kontrolliertes Gebiet. Es gibt zweitens eine schwankende Zahl an Mitarbeitern, die in der Region oder in der Stadt Energodar verblieben sind, aber nicht arbeiten. Hinzu kommt, dass Russland eine neue Firma gegründet hat, die dieses AKW betreibt, und von den Mitarbeitern wird verlangt, Arbeitsverträge abzuschließen; das bedeutet eine Änderung ihrer Rechtsstellung, und natürlich sieht das die ukrainische Konfliktpartei als Verrat an. Das bedeutet eine zusätzliche Quelle an Druck; darüber habe ich sogar mit Präsident Volodimir Selenskij gesprochen; allen habe ich gesagt: "Diese Personen sind die Opfer, und man sollen nicht von ihnen verlangen, eine Rolle zu spielen, die nicht die ihre ist; sie sind keine Kombattanten, sie haben ihre Familien vor Ort, und versuchen, so normal wie möglich zu leben, um diesen Konflikt zu überleben.“

CW: Wie groß sind die Chancen, dass Kiew und Moskau einer Entmilitarisierung des Geländes des AKW zustimmen? Sie waren bisher zweimal dort und haben sowohl Volodimir Selenskij als auch Vladimir Putin getroffen.

RG: "Zu Beginn war die Idee, eine entmilitarisierte Zone anzustreben; doch in eine Lage andauernder Kämpfe, ist es utopisch, über eine derartige Zone zu sprechen; da wird kein militärischer Kommandant zustimmen, weil es sehr schwierig ist, eine derartige Zone zu definieren. Worum ich mich jetzt bei den Verhandlungen bemühe, ist, dass ich mich auf grundlegende Prinzipien, auf Verhaltensweisen, konzentriere; Beschießen sie das AKW nicht oder militarisiert es nicht, und wie man das umsetzen kann. Genau wegen der Gegenoffensive oder wegen der Verteidigung durch die russischen Besatzer bestehe ich so sehr darauf, dass wir eine Vereinbarung brauchen. Beiden Seiten sage ich, dass es nicht um militärische Vorteile geht, weil im Falle eines atomaren Zwischenfalls die radioaktive Strahlung nicht zwischen Uniformen und dem übrigen Europa unterscheiden wird. Ich hoffe, dass man auf mich hört, und ich bestehe gerade dieser Tage so massiv wie möglich darauf."

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