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Reportage aus der Stadt Tschasiv Jar

Fernsehen
ORFIII
Berichte Ukraine

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine

Insert1: Marina, Bewohnerin von Tschasiv Jar

Insert2: Lida und Valja, Pensionistinnen in Tschasiv Jar

Isnert3: Larisa, Pensionistin in Tschasiv Jar

Isnert4: Larisa, Pensionistin in Tschasiv Jar

Gesamtlänge: 3’32

… Laut war es in Tschasiv Jar bereits bei meinem Besuch vor zwei Monaten, doch nun hat sich die Lage in der Stadt hörbar und sichtbar verschlechtert. Der Geschützdonner ukrainischer Artillerie und russisches Gegenfeuer sind viel öfter zu hören, während die Zerstörungen immer größer werden. Im Zentrum ist kaum mehr ein Haus zu sehen, dessen Fenster heil sind; kein Wunder, dass die Einwohnerzahl auf wenige hundert gesunken sein soll. Geöffnet haben noch zwei Greißler; einer liegt an der Hauptstraße und wird von Soldaten stark genutzt; sie haben eine Star-Link-Verbindung installiert, daher kann man auch bargeldlos bezahlen. Auf der Straße trifft man kaum Menschen; zum Gespräch bereit ist Marina:

01'0 - Leben in der Gefahr - 35'2
"Praktisch auf der anderen Straßenseite stehen die Panzer, die die ganze Nacht schießen. In der Früh waren sie weg, kamen aber dann wieder zurück und schossen wieder. In unserer Straße sind bereit einige Häuser ausgebrannt. Ich sage nur: Gebe Gotte, dass ich in der Früh aufwache! Dann danke ich ihm, dass ich noch lebe, und so geht es jeden Tag."

Marinas eigene Wohnung ist bereits ausgebombt; nun lebt sie mit weiteren zwei Frauen in einer, die die Besitzerin verlassen hat.
Die meisten Bewohner trifft man noch an dem Ort, wo es im Zentrum Strom gibt, und man sein Mobiltelefon aufladen kann. Außerdem werden hier Wasser, Nahrung und Lebensmittel verteilt.
Auch hier erleichtern kleine Mitbringsel die Kommunikation, zumal Valja ausgerechnet an diesem Tag ihren 73. Geburtstag feierte. Valja war Verkäuferin, ihre Nachbarin Lida ist 86 und arbeitete als Stuckateurin

Warum bleibt ihr in Tschasiv Jahr?

2'46'7 - Warum seid ihr geblieben? - 2'59'2
"Wer braucht uns denn mit unseren Groscherln? Niemand braucht uns. Woanders müssen wir für die Wohnung und für Betriebskosten bezahlen und auch für das Essen."

Der Weg von der Siedlung zur Ausgabestelle ist in der Früh noch am sichersten, weil da weniger geschossen wird. Trotzdem schwebt man ständig in Gefahr:

1‘43'8 - Hakenschlagen wie ein Hase - 1'54'2
"Ich habe schon gelernt, wie ein Hase durch die Stadt zu laufen - Hakenschlagen zwischen Geschoßen aus Granatwerfern und Schrappnels. So geht das."

Warum bleibt sie in der Stadt?

51'7 - Mutter 90 Jahre - 1'01'2
"Meine Mutter ist 90; sie ist blind und taub, und will keinesfalls weg. Hier werde ich sterben, pasta, sagt sie!"

Die Pflege naher Angehöriger geben auch Dima und Natalija als Hauptgrund für ihr bleiben an. Das Wasser reicht für drei Personen für eineinhalb Tage, muss aber abgekocht werden. Bleibt die Hoffnung, dass Tschasiv Jar das Schicksal von Bachmut erspart bleiben möge, das zehn Monate Häuserkampf und Beschuss völlig zerstört haben.
Ob der intensivere Geschützdonner und die massive Militärpräsenz auch hier bereits ein Anzeichen für ukrainische Gegenangriffe oder gar die angekündigte Gegenoffensive sind, wird sich zeigen. Zu beobachten waren jedenfalls nicht nur gepanzerte Fahrzeuge amerikanischer Bauart, die auf dem Weg in die Ostukraine waren.

 

 

 

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