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Reportage aus der Stadt Ugledar

Fernsehen
ORFIII
Berichte Ukraine

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine

Insert1 Zoja, Bewohnerin von Ugledar

Insert2: Alina, Pensionistin in Ugledar

Insert3: Ina, Pensionierte Lehrerin in Ugledar

Insert4: Alina, Pensionistin in Ugledar

Insert5: Svetlana, Ehemalige Mitarbeiterin der Rettung in Ugledar

Insert6: Oleg, Militärkaplan in der Ukraine

Insert7: Lena, Hundebesitzerin in Ugledar

Insert8: Lena, Hundebesitzerin in Ugledar
Insert9: Insert7: Lena, Hundebesitzerin in Ugledar

Insert10: Lena, Ehemalige Mitarbeiterin einer Kosmetikfirma in Ugledar

Gesamtlänge: 4‘44

Fünf Uhr Früh in der Bäckerei OLEG, in der Stadt Pokrovsk, eine Autostunde von Ugledar entfernt. Die am Vorabend gebackenen 1500 Laib Brot verladen Oleg und sein Mitarbeiter Viktor und auf geht’s.
Auf dem Weg sind mehrere Kontrollposten der ukrainischen Armee zu passieren; wenige Kilometer vor dem Ziel legen wir Splitterschutzwesten und Helme an, denn Ugledar ist Kriegsgebiet und Artilleriebeschuss jederzeit möglich.
Erschütternd sind Anblick und Zustand der Stadt. Kein einziges Gebäude ist auszumachen, das keine schweren Schäden aufweist. Sehnsüchtig erwartet wird bereits der Hilfstransport, denn Oleg, der Militärkaplan einer baptistischen Kirche, ist die einzige Verbindung zur Außenwelt; dementsprechend groß ist der Andrang, der vorwiegend älteren Bewohner:

20230221 Alina i Zoja Ugledar vox pops
14'7 - Gefühlsleben - 28'7
"Wir warten auf sie wie auf den lieben Gott. Sie bringen uns Brot und was wir so brauchen."

Mangelware ist auch Trinkwasser; zum Abkochen von Schnee fehlen mancherorts Herd und Strom.

Warum seid ihr geblieben?

20230221 Alina i Zoja Ugledar vox pops
32'7 - Warum geblieben - 37'4
"Wohin sollten wir? Das ist unser Land, das ist unser Haus!"

20230221 Ina Ugledar vox pops
16‘4 - Warum geblieben - 43'4
"Mein ganzes Leben ist hier, hier habe ich gearbeitet, die Wohnung ist hier. Danke für die Versorgung durch die beiden Männer. Wier essen, was sie uns bringen. "

Was braucht ihr sonst noch?

20230221 Alina i Zoja Ugledar vox pops

1'09'2 - (Beschuss) - 1'21'8
"Taschenlampen könnten wir brauchen, und auch Batterien dazu, die haben wir nicht."

Die Lebensumstände sind äußerst schwierig, für Mitteleuropäer wohl fast unvorstellbar. Svetlana läd uns in ihre Bleibe auf eine Suppe, eine ukrainische Borschtsch, ein. Die Frau arbeitete vor dem Krieg bei der Rettung als Art medizinische Fachkraft. Warum bleibst Du in Ugledar?

20230221 Svetlana Ugledar vox pops
16'9 - Warum geblieben - 22'1
"Meine alten Eltern sind hiergeblieben."

Kleine Gasflaschen, Kocher, Medikamente aber auch andere Hilfsmittel bringen Oleg und Viktor mit ihren Transporten. Wie oft fährst Du nach Ugledar?

20230221 Oleg kapelan Ugledar skloniste
29'8 - Wie oft fährst Du nach Ugledar - 54'8
„Früher bin ich praktisch jeden Tag hergefahren; da gab es noch sehr viele Leute hier, und die Fahrt war einfacher; da gab es mehrere Wege, die ich nutzen konnte. Doch nun ist nur mehr ein Weg befahrbar; alle anderen sind zu gefährlich, haben mich die Soldaten gewarnt. Nun komme ich zwei Mal die Woche hierher."

Von den ukrainischen Streitkräften war um und in Ugledar nur wenig zu sehen. Ständig zu hören war ihr Beschuss russischer Stellung durch Artillerie; auch Gegenfeuer war zu hören. Der Name der Stadt, frei übersetzt „Kohlengabe“ erinnert noch an die einst große Bedeutung der Schwerindustrie:

20230221 Lena 2 Ugledar vox pops
40'5 - Bergbaustadt und Arbeitsplatz - 1'14
"Wir hatten hier zwei Kohlezechen und viele Bergleute, die dann hier auch Wohnungen bekamen oder Häuser gebaut haben. Ich habe auch in einer Grube gearbeitet, die Bergleute in die Stollen gebracht."

Warum sind die beiden geblieben?

1'21'0 - Geblieben wegen des Hundes - (Beschuss) 1'52'4
"Wegen des Hundes. Meine Mutter habe ich aber nach Kiew gebracht Außerdem reicht die Pension dafür nicht aus. Mit einem derart großen Hund ist es schwer, wo eine Wohnung zu finden. Denn 2000 Griwna, 50 Euro reichen nicht, denn das ist nichts."

Doch wovon leben die beiden in Ugledar?

2'10'5 - Freiwillige -2'19'8 (Beschuss)
"Freiwillige Helfer bringen uns etwas; Sie sind auch mit dem Kaplan gekommen und bringen Wasser und Brot. Wir haben noch Reserven, wir haben noch Grütze."

Der Hilfstransport fährt in der Stadt mehrere Punkte an; die Freude über die Besucher ist überall groß; die Spuren des Beschusses sind unübersehbar, Blindgänger inklusive. Lena arbeitete vor dem Krieg für einen Kosmetikkonzern:

20230221 Lena 1 Ugledar vox pops
39'7 - Beschuss und Wohnung - 54'1
"Meine Wohnung haben Sie im März des Vorjahres zerbombt. Begonnen hat alles im Februar, doch im März hat dann der Beschuss so richtig begonnen."

Sie schätzt, dass von den einst 25.000 Einwohnern vor dem Krieg noch 1000 in der Stadt geblieben sind. An ihre Opfer erinnert auch dieses Kreuz im Innenhof. Der Bewohner starb durch Beschuss, wurde hier begraben, und die Angehörigen zogen fort.
Ebenso trostlos wie in Ungledar, sieht es auf der anderen, der russischen Seite der Frontlinie, wenige Kilometer entfernt, aus. Keine Menschenseele ist zu sehen, auch diese Dörfer sind vom Krieg gezeichnet. Ob die Bewohner je zurückkehren werden ist fraglich; sicher ist, dass Ugledar und die meisten Städte des Donezbecken wohl nie wieder die wirtschaftliche Bedeutung erlangen werden, die sie in der Ukraine vor dem Krieg gehabt haben.

 

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