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Reportage aus Charkiw

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Berichte Ukraine
Die seit Anfang September andauernden ukrainischen Gegenangriffe haben dazu geführt, dass der Landkreis Charkiw mit der gleichnamigen Provinzhauptstadt nun fast völlig von russischen Truppen befreit wurde. Das entlastet auch die Stadt, die nur 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt. Trotzdem ist die Lage nicht nur in den befreiten Gebieten, sondern auch in Charkiw selbst weiter sehr schwierig, und zwar auch deshalb, weil die kalte Jahreszeit unmittelbar vor der Tür steht; aus Charkiw berichtet unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

Charkiw liegt im Nordosten der Ukraine, nur 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Von den fast sieben Monaten Krieg ist die Stadt auf vielfältige Weise gezeichnet. Dazu zählen Zerstörungen durch Artilleriebeschuss; außerdem ist die Zahl der Einwohner ist massiv gesunken, die vor dem Krieg etwa eine Million betrug. Zwar liegt die Stadt nun außer Reichweite russischer Artillerie, nicht aber russischer Raketen. Friede ist fern, während die soziale Lage schwierig ist. Das zeigt eine Menschenschlange vor der griechisch-katholischen Kirche, die sich um Nummern für die Ausgabe von humanitärer Hilfe anstellen. Als Lager dient die Kirche. Was wird abgesehen von Lebensmitteln besonders dringend gebraucht? Dazu sagt Bischof Vasil Tutschapez:

7'49'9 - Was wird am dringendsten gebraucht - 8'41'6
"Wichtig sind auch Medikamente, weil jetzt die kalte Jahreszeit beginnt. Daher sind für den Wiederaufbau auch Fenster vordringlich. erst wenn sie eingebaut sind, kann man Zimmer wieder beheizen."

Bis zu 2000 Personen stellen sich regelmäßig um humanitäre Hilfe vor der Kirche an. Woher kommen all diese Menschen? Vasil Tutschapez:

5'07'6 - Wer kommt um Hilfe - 5'36'0
"Zu uns kommen Bewohner nicht nur aus unserem Bezirk, sondern auch aus anderen Bezirken in Charkiw. Es kommen auch Bewohner befreiter Gebiete, die nach Charkiw kommen, weil es bei ihnen daheim keine Voraussetzungen für ein Leben gibt. Oft sind diese Menschen bei Verwandten untergekommen oder haben Wohnungen gemietet. Diese Leute bitten um Nahrung oder warme Sachen zum Anziehen, um elementare Dinge eben."

Klar ist, dass auch in Charkiw viele Bewohner de facto arbeitslos sind, nicht nur weil kriegsbedingt viel weniger produziert werden kann, sondern auch weil die Ausfuhr von Waren durch Schiffe über das Schwarze Meer auf Getreide beschränkt ist. Russischer Raketenbeschuss führte jüngst zu einem tagelangen Stromausfall. Kein Strom heißt de facto auch kein Internet. Trotzdem waren der hohe Grad an Digitalisierung und das moderne Bankensystem ein Rettungsanker auch für Charkiw; ein Beispiel nennt der Leiter der Privatbank, der größten Bank der Ukraine, Andrij Teresenko. Mit ihm stehe ich in einer Filiale bei einem Terminal, der weit mehr ist, nur ein Bankomat. Seine Bedeutung beschreibt Teresenko so:

30'2 - Einzahlung und Behebung - 1'06'1
"De facto ist das eine elektronische Kasse; dieser Terminal spielte eine sehr wichtige Rolle während des Höhepunktes des Krieges, weil diese Terminals auch in großen Supermärkten stehen. Dorthin kamen Kunden mit Bargeld und zahlten ein, während andere dort Bargeld beheben konnten; daher braucht dieser Terminal keine tägliche Betreuung."

Nach Angaben von Teresenko registriert seine Bank eine deutliche Zunahme wirtschaftlicher Aktivitäten im Raum Charkiw. Trotz allem ist aber klar, dass die russischen Angriffe die ukrainische Wirtschaft massiv getroffen haben und auch Charkiw und insbesondere die befreiten Gebiete massive internationale Hilfe brauchen, um über den Winter zu kommen.

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