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Krise ukrainischen Landwirtschaft durch Krieg

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ORFIII
Berichte Ukraine

In den Jahren 2020/21 war die Ukraine der viertgrößte Exporteur von Getreide in der Welt. An dritter Stelle lag Russland. Auf beide Länder entfiel insgesamt ein Fünftel der weltweiten Exporte. Im Falle von Getreide waren Länder wie Ägypten, Bangladesch und der Jemen Großabnehmer, doch jeweils acht Millionen Tonnen Mais und andere Agrarprodukte exportierte die Ukraine auch nach China und in die EU. Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine sind nun die Häfen am Schwarzen Meer für Exporte blockiert und auch das Schienennetz leidet unter russischen Raketenangriffen. Hinzu kommen noch viele andere Probleme, über die unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz mit einem großen Agrarproduzenten gesprochen hat:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ukraine

Inserts: Alex Lissitsa, Agrarproduzent in der Ukraine

Gesamtlänge: 4’36

Mit einer Million Hektar zählt der Landkreis Tschernihiv im Norden der Ukraine zu den drei größten Getreideproduzenten des Landes. Der Landkreis liegt im Grenzgebiet zu Russland und Belarus, und von dort marschierten russischen Truppen am 24. Februar ein, um nach Kiew vorzustoßen. Doch auch die Kreishauptstadt Tschernihiv konnten die ukrainischen Truppen verteidigen; die Frontlinie verlief 200 Meter vor einer Siloanlage der Firma IMK, die 120.000 Hektar Ackerfläche in der Ukraine bewirtschaftet. Der Eigentümer von IMK, Alex Lissitsa, führt uns durch die Anlage; er hat Agrarwirtschaft in Berlin studiert. Mehr als 40 Raketen trafen das Areal, beschädigten die Silos, zerstörten die Mühle sowie die Computersteuerung für die Trocknungsanlage, die ebenfalls Löcker durch Schrapnells aufweist.

34'3 - Steuerungsanlage zerstört - 55'0 (20)

"Da wissen wir natürlich jetzt nicht .... solange wir die Steuerung nicht haben."

In den Silos lagern derzeit 68.000 Tonnen Getreide, die längst ins Ausland hätten exportiert werden sollen. Doch durch die Folgen des Krieges ist das derzeit nicht möglich, und zwar nicht nur wegen der Blockade der Häfen durch russische Kriegsschiffe und Minen:

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3'41'7 - Exporte - 4'18'4 (27)

"Sieht schlecht aus .... können gar nicht losfahren."

Ein Transport auf der Straße scheitert nicht nur an der Menge der Güter, sondern auch daran, dass die Straßen ebenfalls durch den Krieg beschädigt sind. Alex Lissitsa schätzt die gesamten Schäden an der Silo-Anlage auf mehrere Millionen Euro; hinzukommt, dass nur eine Generalsanierung sinnvoll ist, aber kein Stückwerk; doch woher soll das Geld dafür kommen?

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2'19'6 -Totes Kapital - 2'40'1 - 2'51 (31)

"Wir haben in der Firma ... noch von Krediten ... das kann ich nicht zeigen."

Der Agrarproduzent sucht nach Zwischenlagern in Polen oder Ungarn sowie nach Absatzmärkten in der EU; denn ohne Export fehlt der Platz für die Lagerung der heurigen Ernte, auch wenn sie geringer ausfallen wird als im Vorjahr, weil auf vielen Felder wegen Minen und Sprengmitteln eine Aussaat nicht möglich ist. Doch ein Unglück kommt selten allein; und so hat auch der Betrieb mit ursprünglich 1000 Milchkühen massiv und dem russischen Einmarsch gelitten. Viele Mitarbeiter nahmen Reißaus; dazu zählte der Tierarzt; nach wenigen Tagen fiel der Strom aus, sodass die Kühe nicht mehr gemolken werden konnten:

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2'31'5 - Probleme mit den Milchkühen - 2'58'7

Und das ist das Schlimmste ... Produktivität ist runter, Absatz ist runter."

In den kommenden Wochen müssen etwa 100 Kühe geschlachtet werden. Alex Lissitsa überlegt, den gesamten Betrieb aufzugeben, weil sich die Milchwirtschaft in der Ukraine kaum rechnet. Hinzu kommen Personalengpässe; der Betrieb liegt im Grenzgebiet zu Belarus und Russland; die Region war schon seit Jahren strukturschwach, doch der Krieg hat die Krise zusätzlich verschärft, und ein Ende ist nicht in Sicht.

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