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Die Wurstfabrik in Bila Zerkwa

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Berichte Ukraine

Im Krieg in der Ukraine ist natürlich auch die Versorgung der Zivilbevölkerung eine enorme Herausforderung; das gilt vordergründig vor allem für die von russischen Truppen belagerten Städte Mariupol und Charkiw; doch die Versorgung ist generell ein Problem, obwohl natürlich viele Ukrainer ins Ausland geflohen sind. Denn der Krieg hat Lieferketten unterbrochen und stellt die Logistik von Betrieben vor enorme Probleme; was das konkret bedeutet schildert unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz nun am Beispiel einer Wurstfabrik in Bila Zerkwa:

Bila Zerkwa ist eine Stadt 70 Kilometer südlich von Kiew. Vor dem Beginn der russischen Großoffensive lebten hier etwa 200.000 Menschen, die Stadt war somit um ein Drittel kleiner als Graz. Wie viele Menschen noch in Bila Zerkwa leben ist nicht zu ermitteln; auf den Straßen sind nur wenige Bewohner zu sehen, viele Geschäfte und Betriebe sind geschlossen. Massiv vom Krieg getroffen wurde der Wursterzeuger Dennis Paramonow, der vier Fabriken hat; ein steht im nun russisch-kontrollierten Berdjansk am Asowschen Meer; zu diesem Werk ist jeder kontakt abgebrochen; weitere zwei stehen im Raum Charkiw – und eben die kleinste und jüngste Fabrik steht in Bila Zerkwa. Die Herausforderungen des Krieges schildert Dennis Paramonow so:

"Nach dem ersten Angriff flohen alle Mitarbeiter; auch alle anderen drei Fabriken standen still. Wir produzierten 200 Tonnen täglich, hier aber nur fünf Tonnen. Gestern haben wir zum ersten Mal 30 Tonnen produziert; den grundlegenden Teil der Maschinen konnten wir aus Charkiw hierherbringen; das war sehr kompliziert. Mitarbeiter aus Charkiw brachten wir hierher und haben sie hier untergebracht. Wir haben hier einen Luftschutzkeller, ein kleines Hotel, haben die Verpflegung organisiert, und ein Kollektiv gebildet."

Statt früher 40 arbeiten nun 120 Mitarbeiter in diesem Betrieb. Ins Ausland geflohen ist allerdings die Buchhalterin, doch mittlerweile konnte der Zahlungsverkehr wieder in den Griff bekommen werden; vieles wird online abgewickelt, aber eben nicht der Warenverkehr; dazu sagt Dennis Paramonow:  

"Die Fahrer haben einfach Angst; so wurde ein Auto mit Lebensmitteln im Nachbarkreis beschossen. Das ist eine Schwierigkeit. Doch uns gelingt es, weil wir in der Gegend, etwa 30 Kilometer entfernt, ein Schlachthaus haben. Daher sind Lieferungen möglich und wir können arbeiten. Im Landkreis Kiew ist das jetzt die einzige Wurstfabrik, die arbeitet. Produziert werden nur 30 Tonnen, das ist sehr wenig; benötigt wird mindestens das Zehnfache."

Zu den Fabriken zählt etwa 650 Geschäfte, die die Produkte anbieten. Derzeit hat noch etwa die Hälfte geöffnet. Die Verluste wiegen wirtschaftlich schwer, doch noch schwerer wiegen natürlich die Menschenleben, die dieser Krieg tagtäglich fordert.

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