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Reportage aus Kiew

Fernsehen
ORFIII
Berichte Ukraine

In der Ukraine bereitet sich die Hauptstadt Kiew so gut wie möglich auf den zu erwartenden russischen Großangriff vor. Während die Streitkräfte einen Vorstoß in die Stadt bisher verhindert haben, werden in ganz Kiew Barrikaden errichtet und Straßensperren gebaut. Trotzdem haben sehr viele Bewohner die Stadt verlassen; geblieben sind jedenfalls viele Personen, die entweder an den Sieg der eigenen Waffen glauben oder keine Alternative zum Bleiben haben. Sehen Sie eine Reportage von Christian Wehrschütz, der heute wieder auf einem Tagesausflug in Kiew war:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Kiew

Insert1: Annabel (26), Tanzlehrerin in Kiew

Insert2: Jaroslaw Kolomijschenko, IT-Fachmann in Kiew

Insert3: Julia, Bewohnerin von Kiew

Insert4: Julia, Bewohnerin von Kiew

Insert5: Ruslan, Arzt in Kiew

Insert6: Jaroslaw Kolomijschenko, IT-Fachmann in Kiew

Gesamtlänge: 5’15

Der Maidan war und ist das Herzstücks Kiews in guten wie in schlechten Zeiten; daher wird auch dieser Platz soweit eben möglich zur Verteidigung vorbereitet. Straßensperren werden errichtet, Panzerigel stehen schon auf der noch vor zwei Wochen belebt Krestschatik und Freiwillige helfen mit beim Bau von Barrikaden. Sehr viele Bürger der ukrainischen Hauptstadt sind geflohen – warum ist Sie geblieben?

2'09'4 - Warum geblieben - 2'43'1

"Erstens ist das unser Land; zweitens haben wir in keiner anderen ukrainischen Stadt Verwandte; und drittens glauben wir an unsere Streitkräfte und an unsere Verteidigung. Außerdem helfen wir auch Menschen, die es nötig haben; so haben wir gestern einer alten Frau, die nicht gehen kann, Nahrungsmittel besorgt."

Im krassen Gegensatz dazu steht die Ruhe, die der kleine See im Bezirk Obolon ausstrahlt. Hier wohnt der 40-jährige Jaroslaw Kolomijschenko, der für eine ukrainische Softwarefirma arbeitet, und auch in Niederösterreich gelebt hat. Die Firma arbeitet weiter, obwohl viele Mitarbeiter Kiew verlassen haben:

1'49'4 - Warum geblieben - 2'32'3

"Alle, die wollten ... ich glaube an unsere Armee."

In der ganzen Stadt stoßen wir bereits auf Barrikaden und Straßensperren, die allerdings nicht gefilmt werden dürfen. Das gilt auch für das Haus, in dessen Garage sich die verblieben Bewohner so gut wie möglich eingerichtet haben. Von 1.500 Mitbewohner sind nur etwa 30 geblieben; dazu zählt dieses Ehepaar, das bereits im Sommer 2014 aus Donezk fliehen musste; warum sind sie nicht wieder geflohen?

 

Julia: 4'14 - Warum geblieben - 4'28

"Wir sind in Kiew geblieben, weil mein jüngerer Sohn an einem posttraumatischen Stress und an einer beschränkten Persönlichkeitsentwicklung leidet und ein sehr selbstmordgefährdeter Mensch ist."

Und wo hält sich die Familie bei Fliegeralarm auf?

Julia: 6'22'9 - Wo bei Fliegeralarm - 6'41'6

"Bei Fliegeralarm schlafe ich mit dem jüngeren Sohn oben in der Wohnung; er hat Angst hier hinunter zu gehen, weil er an einem posttraumatischen Stresssyndrom leidet. Der ältere Sohn und mein Mann schlafen hin und wieder hier.

Versorgungsprobleme gibt es für die verbliebenen Bewohner auch dank Spenden aus der Türkei nicht. Windeln und andere Gegenstände wurde auch an Krankenhäuser und Familien weitergegeben. Besonders schwierig sind aber die Lebensbedingungen chronisch kranker Menschen, weil es für sie an Medikamenten fehlt. Völlig in den Hintergrund getreten ist jedoch die Corona-Pandemie. Gut organisiert haben sich die verbliebenen Bewohner:

1'40'4 - Selbstorganisation - 2'15'5

"Die ersten Tage standen wir unter Schick; dann haben wir einen Stab gebildet und uns organisiert; ich bin Arzt und für die medizinische Versorgung zuständig; einige Frauen kochen, einige Männer bauen Barrikaden, haben Waffen bekommen und sind für den Schutz zuständig. Wir schützen hier unser Territorium."

Die Hoffnung auf den Sieg der eigenen Waffen besteht auch in dieser Tiefgarage weiterhin. Entschieden wird der Kampf aber an der Oberfläche; dort lebt auch unser IT-Spezialist; wie lange wird es dauern, bis Ukrainer und Russen wieder ein einigermaßen normales Miteinander leben können?

8'21'2 - Ukrainisch-Russisches Verhältnis - 9'30')

"Diesen Sommer habe ich ... eine Wand bilden und alles vergessen."

Dazu müssen die Ukraine und Kiew zunächst den russischen Großangriff überstehen. So gering die Friedenchancen auch sein mögen, bleibt für die Stadt zu hoffen, dass diese Barrikaden ihren Wert nicht unter Beweis stellen werden müssen.

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