× Logo Mobil

Ukraine Corona Leihmutterschaft

Radio
Europajournal
Berichte Ukraine

Die Ukraine ist eines der wenigen Länder in Europa, in dem Leihmutterschaft erlaubt ist, und zwar auch für Ausländer. Voraussetzung ist eine Ehe zwischen Mann und Frau, andere Formen von Lebensgemeinschaften sind nicht zugelassen. Vor allem nach Kiew kommen Ehepaare aus aller Herren Länder, aus China, den USA, Spanien, Deutschland aber auch aus Österreich und vielen anderen Ländern der EU. Grund dafür sind das große und vielfältige Angebot an Leihmüttern und Spenderinnen von Eizellen aber auch die Preise, die niedriger sind als in Tschechien oder den USA. Doch wegen der Corona-Epidemie hat die Ukraine ihre Grenzen vor zwei Monaten geschlossen; daher konnten die Wunscheltern nicht einreisen, um ihre Babys abzuholen. Dieses Problem wurde wochenlang negiert, doch dann stellte eine der größten Kliniken ein Video mit 50 Babys ins Netz; das brachte den Stein ins Rollen und nun wird versucht, diese Eltern einreisen zu lassen. Wegen der Gefahr der Ansteckung müssen diese Eltern jedoch zwei Wochen in Quarantäne, ehe sie ihre Kinder in Empfang nehmen und dann wieder ausreisen können, wenn alle erforderlichen Dokumente bei Behörden und Botschaften vorliegen. In der Ukraine führen die ungenaue gesetzliche Regelung der Leihmutterschaft sowie das schlechte Justizwesen aber auch zum Missbrauch von Leihmutterschaft. Einzelfälle reichen vom mutmaßlichen Kinderhandel bis zu Fällen, in denen genetische Eltern die Annahme des Kindes verweigerten, weil es genetische Erkrankungen oder Behinderungen aufweist. Es berichtet unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Es war das Video einer der größten Kliniken in Kiew, das dafür sorgte, dass das Problem der Leihmutterschaft in Corona-Zeiten nicht nur in der Ukraine zum Thema wurde. Gezeigt wurden etwa 50 Babys, die - zärtlich von Krankenschwestern umsorgt - auf die Abholung durch ihre biologischen Eltern aus dem Ausland warten. Das Video rüttelte die Behörden wach, hinzu kam der Druck der Botschaften. Die meisten Wunscheltern stammen aus China, viele kommen auch aus den USA. Der Leiter dieser Klinik, Albert Totschilowski, erreichte damit die gewünschte Aufmerksamkeit, und sagt:

"Jetzt werden Genehmigungen erteilt. Die Beauftragte des Parlaments für Menschenrechte hat sich mit chinesischen Ehepaaren getroffen, und da wurde die Frage der Legalisierung gelöst. Das betraf sieben Paare mit neun Kindern, die nach China zurückgekehrt sind. Doch selbst wenn die Eltern kommen, dann müssen sie 14 Tage in Quarantäne. Jetzt haben wir schon 60 Kinder; ich denke wir werden auf 100 kommen, doch dann wir die Zahl drastisch zurückgehen."

Die Unterbringung der Wunscheltern während der Quarantäne sei kein Problem, denn die Klinik habe spezielle Wohnungen dafür. Wer in die Ukraine einreisen will, um sein Kind abzuholen, soll sich an die Botschaft seines Landes aber auch an ukrainische Behörden wenden, empfiehlt Totschilowski. Einige Fällen sind oder waren auch bei der österreichischen Botschaft in Kiew anhängig; ob sie bereits alle gelöst sind, ist nicht bekannt.

Leihmutterschaft ist in der Ukraine auch ein gutes Geschäft für viele Kliniken, denn der Wunsch nach Kindern ist groß. Ausländer nehmen vor allem über das Internet Kontakt mit Kliniken, Leihmüttern und Vermittlungsagenturen auf. Bei seriösen Agenturen wird umfassend informiert und rechtlich sauber gearbeitet. Große Vorsicht bei der Auswahl sei geboten, betont Sergij Antonow, dessen Agentur auch Leihmütter vermittelt:

"Es gibt etwa zehn legale Agenturen, doch im Internet kann man hunderte Angebote finden. Ich schätze, dass etwa 70 Prozent des Markts der Leihmutterschaft in der Ukraine ein Schwarzmarkt ist. Die Skandale. die bekannt wurden, sind mit illegalen Programmen verbunden. Doch eine staatliche Kontrolle fehlt."

Von seriösen Agenturen und Kliniken bekommen Leihmütter zwischen 13.000 und 17.000 Euro für eine Geburt. Im Angebot haben Agenturen auch Spenderinnen für Eizellen, sollte die Wunschmutter selbst über keine Eizelle verfügen. Doch wie werden Leihmütter ausgewählt? Das Verfahren beschreibt Irina Iawschenko, die in einer großen Klinik in Kiew für deutschsprachige Wunscheltern zuständig ist:

"Die Leihmütter kommen aus der ganzen Ukraine, aber bevor sie ins Programm genommen werden, müssen sie gründlich untersucht werden; sie müssen verschiedene Analysen machen, und unsere Ärztin wird dann entscheiden, ob die Dame körperlich und natürlich mental geeignet ist, sich als Leihmutter anzubieten. Während der Schwangerschaft kommen sie regelmäßig zu Ultraschalluntersuchungen."

Die Wunscheltern kostet das gesamte Verfahren zwischen 30.000 und 40.000 Euro. Leihmutterschaft ist in der Ukraine gesetzlich kaum geregelt; die Folge davon ist, dass es zu Mißbrauch kommt. Eine umfassende gesetzliche Regelung fordert Ludmila Denisova, die Menschenrechtsbeauftragte des Parlaments in Kiew:

„Es braucht eine Regelung, die alle Aspekte der Leihmutterschaft umfasst, einschließlich der Lizenz dieser Zentren für Reproduktionsmedizin, damit sie weiter die erforderlichen Kriterien erfüllen. Hinzu kommt, dass Eltern das Kind ablehnen können, oder dass sich die die Leihmutter weigert, das Kind herzugeben.“

Das Mädchen Bridgit war ein trauriger Fall von Mißbrauch. Es wurde mit Behinderungen geboren, und seine Wunscheltern weigerten sich, das Kind anzunehmen. Nach einem bürokratischen Irrweg wurde das Mädchen in der Ukraine zur Adoption freigegeben; ob es bereits Eltern gefunden hat, ist nicht bekannt. Bridigt ist kein Einzelfall; nach Angaben des Kinderombudsmannes der Ukraine, Mikola Kuleba, sind etwa zehn derartige Fälle bekannt. Er ist dafür, dass Ausländern die Nutzung von Leihmüttern in der Ukraine verboten werden soll; Mikola Kuleba:

"In der Ukraine ist eine Strafsache anhängig, weil eine Leihmutter ausländischen Staatsbürgern ein Kind übergab, und dann ein Gentest zeigte, dass die Eltern keine biologische Beziehung zu diesem Kind haben, dass ihr biologisches Material gar nicht verwendet wurde. Zweitens gibt es Fälle, bei denen Personen, die im Ausland wegen Verbrechen verurteilt wurden, und zwar auch wegen der Vergewaltigung von Kindern, in der Ukraine ein Kind erhalten haben. Angesichts der Tatsache, dass die Ukraine jene nicht kontrollieren kann, die ins Land kommen, meine ich, dass für Ausländer die Leihmutterschaft verboten werden muss."

Dieses Verbot fordert Mikola Kuleba auch, um Leihmütter zu schützen:

Die meisten Frauen stammen aus kleinen Dörfern und Städten aus dem Osten der Ukraine; sehr oft werden sie betrogen, wobei die Verträge, die mit diesen Frauen abgeschlossen werden zeigen, dass das Sklaverei ist. Wenn etwa die Klinik bei der Untersuchung des Embryos Abweichungen feststellt, sogar nur Gewichtsabweichungen, dann ist die Frau zur Abtreibung verpflichtet. Wenn sie verweigert, beträgt die Strafe 200 Prozent der Vertragssumme. Da die Frauen Leihmütter werden, um Geld zu verdienen, sind sie rechtlos und machen diese Abtreibung. Doch es gibt noch viele andere Punkte, die ihre Rechte verletzen."

Mit seiner Forderung nach einem Verbot konnte sich der Kinderombudsmann bisher nicht durchsetzen, denn Leihmutterschaft ist auch ein enormes Geschäft. Einen realistischeren Weg zu gehen, versucht der Abgeordnete der stärksten Parlamentspartei, „Diener des Volkes“, Oleksandr Danutsa; er hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, der Kliniken und Agenturen zu gewissen Standards verpflichten soll; dazu sagt Oleksandr Danutsa:

"Es geht uns vor allem um zwei Dinge: erstens um eine gesetzliche Verantwortung, die es bisher nicht gibt. Da geht es um eine strafrechtliche und administrative Verantwortung im Falle von Leihmuttschaft. Zweitens geht es um die Lizensierung und die Bedingungen, die für eine Lizenz erfüllt werden müssen. Das betrifft Fragen der Medizin und der Hygiene. Leider gibt es Fälle, wo in Wohnung unter häuslichen Bedingungen Eingriffe für Leihmutterschaft durchgeführt wurden. Wir wollen, dass Kliniken medizinische und hygienische Standards erfüllen und für eine Lizenz bezahlen müssen.“


Danutsa hofft, dass das Gesetz noch heuer im
Facebook Facebook