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Die Lage im Raum Lugansk

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Berichte Ukraine

Mehr als fünf Jahre dauert nun schon der Krieg in der Ostukraine; zwar gibt es nun erste sichtbare Schritte, um die festgefahrenen Friedensverhandlungen in Minsk mit neuem Leben zu erfüllen, doch die Zeit arbeitet gegen eine Reintegration der prorussischen Rebellengebiete von Donezk und Lugansk in den ukrainischen Staatsverband. Denn je länger Krieg und Spaltung dauern, desto mehr entwickeln sich die Landesteile auseinander, desto stärker wird die Integration der Rebellengebiete in Russland. Das Leben in Lugansk und Donezk ist beschwerlich, viele Betriebe stehen still; am beschwerlichsten ist das Leben aber der Bevölkerung auf beiden Seiten der Frontlinie, weil die Feuerpause von beiden Konfliktparteien immer wieder gebrochen wird. Unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz war jüngst wieder in der Ostukraine und hat eine Reportage über das Leben in diesen Rebellengebieten gestaltet:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine

Insert1: Leonid Pasetschnik, Führer der sogenannten Volksrepublik von Lugansk

Insert2: Marina Tkatschenko, Schuldirektorin in Solotoe-5

Insert3: Ludmilla, Marktfrau in Lugansk

Insert4: Julia Nejasowa, Vertreterin einer russischen Kosmetikfirma

Insert5: Galina Skobzewa, Statistisches Zentralamt in Donezk

Insert6: Grigorij Nemiria, stellvertretender Vorsitzendes des Außenpolitischen Ausschusses im ukrainischen Parlament

Gesamtlänge:

Anfang Oktober feierten die sogenannten Volksmilizen in Lugansk den fünften Jahrestag ihres Bestehens. Die Heerschau im sogenannten „Patriotischen Park“ zeigt, wie sehr sich die Ausstattung der prorussischen Kräfte mit Hilfe aus Russland geändert hat; eine militärische Lösung des Konflikts ist nun völlig unrealistisch. Gezeigt wurden auch abgeschossene ukrainische Drohnen; beide Seiten nutzen sie vor allem zur Aufklärung. Leonid Pasetschnik, der Führer der sogenannten Volksrepublik von Lugansk, inspizierte die Waffen. Die Heerschau dient auch der Stärkung des Durchhaltewillens der Bevölkerung:

„Ich bin überzeugt, dass dieses Territorium ein Zentrum wird für die militärisch-patriotische Erziehung der Jugend und ein Lieblingsplatz für die Erholung unserer Bürger. Das ist ein großes, wichtiges und notwendiges Geschenk für unsere Republik.“

Trist ist das Leben an der Frontlinie wie hier im Ort Solotoe-5. Die Waffenruhe brechen beide Konfliktparteien immer wieder, auf beiden Seiten ist die Abwanderung groß. Die Grundschule des Ortes zählt in den 10. Und 11. Klassen jeweils nur mehr vier Schüler; insgesamt besuchen noch 86 Kinder die Schule, die immer wieder von Granatsplittern getroffen wird. Neben dem Eingang dient ein Keller als Luftschutzkeller für Schüler und Lehrer. Die Schule ist auch das Verteilungszentrum für humanitäre Hilfe; zumeist sind es Grundnahrungsmittel, die an die Familien verteilt werden, Kartoffel, Zucker und Konserven. Die Wirtschaft liegt danieder:

Schuldirektorin Solotoe, Interview auf der Straße

2'55 - Soziale Lage - 2'55

"Es gibt keine Arbeit, die Betriebe stehen still. Manche haben irgendeine Arbeit mit Minimallohn, produziert wird hier nichts. In der Ortschaft arbeiten die Schule, das Krankenhaus und das Magistrat für kommunale Fragen, das ist alles."

In Lugansk ist die Lage weit besser, obwohl es auch in der Stadt Probleme mit der Wasserversorgung gibt. Der Markt zeigt, woher viele Waren stammen; die Schuhe kommen aus China und der Türkei, importiert wird über Russland. Die Grundnahrungsmittel werden selbst produziert, Versorgungsengpässe gibt es nicht, aber die Arbeitsmigration vor allem nach Russland, macht sich auch hier bemerkbar:

„Wir haben weniger Einwohner als Schuhe. Wir haben wenig Einwohner; auf jeden kommen 20 Paar Schuhe. Wir leben nicht sehr arm, wir sind reich. Berichten Sie, dass hier alles normal ist.“

Auch diese Kosmetik-Messe zeigt das Streben nach Normalität unter abnormalen Lebensumständen. Die meisten Produkte kommen aus Russland, auch der Friseur, der der anwesenden Damenwelt seine Künste vorführte. Ziel ist die Entwicklung des Marktes in Lugansk:

„Unterstützt wird das Festival hier vom internationalen Schönheitsfestival in St. Petersburg. Sie haben uns Ausbildung und auch Spezialisten bereitgestellt; wir haben hier auch Vortragende aus Moskau und Krasnodar, dem Ort der besten Friseurausbildung.“

In Lugansk und Donezk wurden in der ersten Oktoberhälfte Volkszählungen durchgeführt. Tausende Freiwillige gingen von Tür zu Tür, 25 Fragen waren zu beantworten. Eine große Herausforderung war die Einteilung der Sprengel:

7'14 - Territorium - 7'55

"Die Zähler bekamen ein Stück Karte unserer Donezker Volksrepublik mit bestimmten Normen, die etwa festlegen, wie viele Interviews ein Zähler durchzuführen hat. Diese Karte kann auch nur einige große Häuser umfassen. Das sind lokale Gebiete, die der Zähler binnen zwei Wochen abzuarbeiten hat."

Die Ergebnisse sollen in sechs Monaten vorliegen. Sie werden zeigen, wie sehr Krise, Krieg und Migration das Leben in Lugansk und Donezk verändert haben.

Klar ist aber bereits jetzt, dass die Trennung immer stärker wird, je länger der Krieg dauert; wie sollen etwa diese Milizen in die Ukraine reintegriert werden, denn die meisten Soldaten stammen aus dem Rebellengebiet. Die Kinder werden in einem ganz anderen Geist erzogen als auf Ukrainisch kontrolliertem Gebiet. Die unterschiedlichen Lebenserfahrungen wirken ebenfalls trennend, zumal sich Kiew unter dem früheren Präsidenten Petro Poroschenko kaum um die Bevölkerung in den Rebellengebieten gekümmert hat:

3'52 - Aufgabe der Ukraine, was kann sie tun - 4'28

"Es muss vor allem um die Menschen gehen. Die Ukraine kann die Denkweise der russischen Führung nicht ändern, doch die Ukraine kann sehr viel für ihre Bürger tun, die an der Frontlinie leben, für Binnenvertriebene und für jene Menschen, die derzeit die auf den Gebieten leben, die die ukrainische Regierung derzeit nicht kontrolliert. Das betrifft die Wiederaufnahme der Pensionszahlungen, das Wahlrecht, den Zugang zu Informationen, über beschädigtes oder vernichtetes Eigentum, das muss die Ukraine tun."

Bleibt als Erfolg der Wiederaufbau der Brücke bei Stanica Luganska, der den Übergang an der Frontlinie bei Lugansk erleichtert. 30.000 Personen queren täglich an fünf Übergängen die Frontlinie. Die Beziehungen zwischen den Menschen bestehen weiter, doch die Politik hat es bisher nicht geschafft, den Alptraum zu beenden, in dem viele Menschen nicht nur in der Ostukraine seit mehr als fünf Jahren leben.

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