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Interview mit neuem Gouverneur von Lemberg

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Berichte Ukraine

Mehr als 100 Jahre gehörten Galizien und Lemberg zu Österreich. Trotz aller Verwerfungen des 20. Jahrhunderts wirkt diese Epoche noch nach und zwar im positiven Sinne. Dazu zählen die historischen Bauwerke der Altstadt, die ebenso wie das Jazz- und das MozArt-Festival im Sommer viele Touristen anziehen. Doch auch wirtschaftlich und sozial ist der Kreis Lemberg sehr wichtig für die Ukraine. Mit 2,5 Millionen Einwohnern ist er der fünfgrößte Kreis der Ukraine und liegt an fünfter Stelle was das Lebensniveau betrifft und an sechster Stelle beim Außenhandel. Für den Kreis Lemberg hat Präsident Volodimir Selenskij Anfang Juli einen neuen Gouverneur ernannt. Der 34-jährige Markijan Malskij hat nicht nur trotz seiner jungen Jahre viele Auslandserfahrung in westlichen Ländern gesammelt, sondern auch einen klaren Bezug zu Österreich. Denn bis zu seiner Ernennung zum Gouverneur war Malskij Honorarkonsul der Republik Österreich. Mit ihm hat unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz in Lemberg gesprochen, hier sein Bericht:

Der Gouverneur des Kreises Lemberg leitet eine Behörde mit 720 Beamten und 21 Abteilungen, die sich etwa mit Landwirtschaft, Energie, Gesundheit, und Bildung befassen. Neben der Umsetzung konkreter Projekte kontrolliert die Kreisverwaltung auch die Verwendung von Budgetmitteln in den Bezirken. Der Gouverneur wird direkt vom Staatspräsidenten ernannt. Seit Juli ist nun Markijan Malskij im Amt, der Internationale Beziehungen und Jus in Paris, Stockholm und in Bern studiert hat. Neben seiner Arbeit in der Privatwirtschaft war Malskij in Nicht-Regierungsorganisationen tätig. All diese Erfahrungen nutzen ihm nun als Gouverneur, der auch eine Art Klagemauer für die Sorgen der Bürger ist.

"Bürger wenden sich an uns, weil die Eisenbahn Land nutzen will, das diesen Bürgern gehört. Dann gibt es Kunstfehler von Ärzten auch mit einem tödlichen Ausgang und ein Hinterbliebener fordert, dass der Arzt zur Verantwortung gezogen wird. Meistens geht es darum, dass Bürger mit Behörden unzufrieden sind. Dann gibt es Fälle, die an den Staatspräsidenten herangetragen werden sollen. Da geht es etwa um Beschwerden von Speditionen, dass Polen nicht genügend Transportgenehmigungen ausstellt. Das gilt nicht nur für Polen, sondern auch für andere Länder der EU."

Politisch tritt der neue Gouverneur dafür ein, dass die Verwaltung bürgernäher und die Verwendung der Budgetmittel effizienter werden. Dazu sagt Markijan Malskij:

"Die Ukraine muss die Dezentralisierung fortsetzen. Da geht es um die Bildung größerer Gemeindeverbände, die nicht nur einige Dörfer oder eine Stadt umfassen. Außerdem muss man Bezirke zusammenlegen; statt der derzeit etwa 20 sind 8 ausreichend im Kreis Lemberg. Ich bin dafür, dass man so viel wie möglich Kompetenzen an die Städte und Gemeindeverbände überträgt, weil nur diese Einheiten ihre Probleme am besten kennen und auch Geld am besten dann einsetzen können. Die Kreisverwaltung soll mehr die Funktion einer Präfektur haben, wo der Präfekt Entscheidungen auf lokaler Ebene nur beeinspruchen kann, wenn sie gesetzwidrig sind."

Lemberg ist nicht nur eine Touristenmetropole, sondern auch ein Zentrum der IT-Industrie in der Ukraine. Mehr als 20.000 Personen sind im diesem Sektor in Lemberg beschäftigt. Hinzu kommen Großbetriebe der Autozulieferindustrie sowie Callcenter internationaler Firmen. Doch der Kreis und die Stadt haben auch ihre strukturellen und finanziellen Probleme. Dazu zählen die Müllentsorgung sowie die Energieversorgung. Markijan Malskij:

"So rasch wie möglich gelöst werden müssen die Probleme mit den Kohlegruben sowie mit einigen kalorischen Kraftwerken, wo derzeit das Risiko besteht, dass sie nicht regulär arbeiten können. Dann haben wir das Problem mit der Auszahlung der Gehälter für Ärzte. Strategisch gesehen liegt die Priorität beim Ausbau internationaler Partnerschaften, um mehr Investitionen zu bekommen, wobei Galizien durchaus Erfolge vorzuweisen hat. Drittens geht es um die Infrastruktur, weil es an den Grenzübergängen lange Schlangen gibt; da möchte ich eine elektronische Registrierung einführen, damit die Abfertigung rasch erfolgt."

Markijan Malskij möchte verstärkt mit Regionen von EU-Ländern zusammenarbeiten. Dazu zählt auch Österreich, war doch Malskij bis zu seiner Ernennung zum Gouverneur Honorarkonsul der Republik Österreich in Lemberg.

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