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Dorf an Grenze zwischen der Ukraine Russland

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Berichte Ukraine

Bei der Präsidenten- und Parlamentswahl in der Ukraine war die Unterstützung für Volodimir Selenskij und seine Partei besonders groß. Weit besser als im Landesdurchschnitt waren hier auch die Ergebnisse einer prorussischen Partei, die mit 15 Prozent den zweiten Platz bei der Parlamentswahl belegte. Diese Grundstimmung wird im Westen vielfach als hoffnungslose geistige Rückständigkeit abwertend fehlinterpretiert. Denn die wirtschaftliche Lage in den Schwerindustriezentren der Ostukraine ist vielfach schlecht und der Wirtschaftskrieg zwischen Moskau und Kiew verschlimmert die Lage zusätzlich. Hinzu kommt, dass Kiew seit der Unabhängigkeit vor fast 30 Jahren viel zu wenig in die Infrastruktur investiert hat. Unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz war in einem Dorf an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland im Kreis Lugansk und hat dort die Stimmung der Bevölkerung und die Lage porträtiert:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine

Insert1: Viktor, Bewohner von Milowoe

Insert2: Vladimir, Gemüseverkäufer in Milowoe

Insert3: Vladimir, Gemüseverkäufer in Milowoe

Gesamtlänge: 2’07

Miliwoe liegt unmittelbar an der Grenze zu Russland; mit dem Dorf Terschtkowo bildete es de facto eine Einheit. Im Herbst baute Russland einen 1,5 Kilometer langen Zaun an dieser Straße; den Namen „Völkerfreundschaft“ trägt. Davon ist nicht mehr viel geblieben. Für die Bewohner von Miliwoe gibt es noch zwei Grenzübergänge; einer ist für Fahrzeuge, der auch wegen des Tanktourismus von Ukrainern stark genutzt wird. Hinzu kommt ein Übergang über diese Brücke. Nach ukrainischen Angaben dürfen ihn russische Bewohner des Nachbardorfs nicht benutzen, warum nicht ist unklar. Der de facto Kriegszustand zwischen Kiew und Moskau trifft die einfachen Menschen:

„Das waren zwei Orten, die ein Leben gelebt haben. Jetzt leben wir getrennt. Verwandte gibt es auf beiden Seiten; früher arbeitete man dort und hier; und jetzt?“

Mit der Lage unzufrieden sind auch die Händler des Ortes; der Name dieses Geschäfts wirkt wie eine schlechte Ironie. Der Handel mit dem russischen Nachbarort sei stark gesunken, klagt dieser Verkäufer:

„Jetzt muss ich Steuern zahlen, zahlen, und zahlen, doch ich verdiene gerade genug zum Leben. In unserem Ort stehen mehr als 100 Häuser zum Verkauf. Die Jungen wandern ab und kehren nicht zurück. Arbeit gibt es keine. Die Perspektive ist Null.“

Unzufrieden ist Vladimir nicht nur mit seinem Verdienst

„Zum Vergleich brauche ich nur auf die andere Seite gehen; das ist eine andere Welt. Das beginnt mit den Straßen und gilt auch für alles andere. Hier brauche ich für 20 Kilometer ewig, dort brauche ich zehn Minuten.“

Die Straße nach Miliwoe ist in katastrophalem Zustand. Das gilt für weite Teile des Kreises von Lugansk. Denn bereits vor dem Krieg wurde hier viele Jahre nicht in die Infrastruktur investiert; die politische Schonfrist für die neue Führung unter Präsident Volodimir Selenskij wird auch hier nur sehr kurz sein.

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