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Das Leben an der Frontlinie und im Hinterland der Rebellengebiete

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Berichte Ukraine

In den Kriegsgebieten und in Frontnähe in der Ostukraine sind nach Angaben internationale Hilfsorganisationen mehr als drei Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen. Doch der Krieg ist durch andere Krisenherde überlagert und in den Hintergrund gedrängt worden. Das spüren die Budget der Hilfsorganisationen; dabei ist gerade bei alten Menschen und Familien mit Kleinkindern die Nor oft sehr groß; groß ist aber auch der Selbstbehauptungswille der Bevölkerung, die oft mit sehr beschränkten Mitteln am Wiederaufbau arbeitet und in die eigenen Hände spuckt, um die Herausforderungen des täglichen Lebens zu meistern. Ein Lokalaugenschein die Ostukraine von unserem Korrespondenten Christian Wehrschütz, der beide Seiten der Frontlinie besucht hat:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ostukraine

Insert1: Olga Popowa, Viehzüchterin im Ort Tschermalik

Insert2: Walerij Ilinitsch, Viehzüchter im Ort Tschermalik

Insert3: Marina Pugatschowa, Leiterin einer Hilfsorganisation

Insert4: Viktor Dragomirow, Pensionist in der Stadt Uglegorsk

Insert5: Cyril Jaurena, Leiter des IKRK in Donezk

Insert6: Cyril Jaurena, Leiter des IKRK in Donezk

Gesamtlänge: 5’20

Der Ort Tschermalik liegt nur wenige hundert Meter auf der ukrainischen Seite der Frontlinie, die der Fluss Kalmius bildet. Durch die Kämpfe in den Jahren 2014 und 2015 wurde auch dieser landwirtschaftliche Betrieb massiv getroffen. Doch mit harter Arbeit hat sich das Ehepaar Olga Popowa und Walerij Ilinitsch an den Wiederaufbau gemacht. Die Viehzucht zählt wiederum 500 Schafe; Ziel ist es, den Viehbestand binnen drei Jahren zu verdoppeln, um die Wertschöpfung zu erhöhen:

Olga Popowa: 7'08 - 7'23

"Ich möchte auf 1000 Schafe kommen; ich möchte eine kleine Käsefabrik aufmachen, um aus Schafmilch Brimsen zu produzieren. Doch dazu muss ich den Viehbestand erhöhen, derzeit kann ich nicht viel verkaufen.“

Ein Problem ist die Kapitalknappheit; ein guter, gebrauchter Traktor kostet mehr 10.000 Euro, doch die Kreditzinsen sind sehr hoch:

Walerij Ilinitsch 2'40 - Alte Technik - 3'45 - 4'08

"Die alten Maschinen zu reparieren bedeutet nur Verluste, doch eine Alternative gibt es nicht. Der Krieg hat zwei Traktoren zerstört, doch meine Produktion erlaubt keine Investitionen, zumal Treibstoff teuer ist. Hinzu kommt, dass ich auch Land nicht nutzen kann, das direkt an der Frontlinie liegt. Müsste ich für einen Kredit nur fünf bis sieben Prozent Zinsen zahlen, dann würde ich einen Traktor kaufen; mit dem könnte ich all das machen, was ich mit drei alten nicht kann. Doch hier müsste ich für einen Kredit mehr als 20 Prozent Zinsen zahlen, das ist sinnlosen, da müssten noch meine Kinder den Kredit abbezahlen."

Besonders schwierig ist das Leben von Pensionisten; umso schwieriger ist es, wenn keine Verwandten mehr da sind, die helfen können. Eine positive Ausnahme ist dieses Heim, in dem 30 alleinstehende Pensionisten betreut werden. Mit amerikanisch-griechischer Hilfe bereits vor zehn Jahren aufgebaut, kümmert sich auch eine Hilfsorganisation aus der Hafenstadt Mariupol um diese Menschen. Die Organisation leistet Pensionisten auch Rechtsbeistand:

Marina Pugatschowa 2'30 - Pensionen Binnenflüchtlinge - 3'26

"Die Frage der Pensionszahlungen für Binnenvertriebene ist noch komplizierter geworden. Das betrifft auch alle Sozialleistungen sowie die Auszahlung der Pensionen an der Frontlinie. Jüngst hatten wir einen Fall, wo in einer Ortschaft 60 Personen sechs Monate keine Pension bekamen. Dort herrscht enorme Arbeitslosigkeit und Familien leben von der Pension. Wir konnten dank guter Juristen das Problem lösen. Doch hin und wieder ist auch ein Gerichtsurteil keine Garantie dafür, dass der Pensionist auch sein Geld bekommt. Dann muss man den Volksanwalt und andere Behörden einschalten."

Auch auf der Seite der prorussischen Rebellen sind die sozialen und wirtschaftlichen Probleme groß, und zwar nicht nur Frontnähe. Ein Beispiel dafür bietet die Stadt Uglegorsk, die im Jänner 2015 in die Hand der Rebellen fiel. 50 Familien unterstützt hier das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Geliefert wurden jüngst Behälter für Wasser, um die Zucht von Gemüse zu erleichtern; die entsprechenden Glashäuser wurden bereits im Frühling verteilt. Ein Begünstigter ist Viktor Dragomirow; der 69-jährige Pensionist hat fast 50 Jahre als Bergmann gearbeitet. Das Haus erhielt im Jänner 2015 einen Volltreffer, die Spuren der Artillerie sind bis heute sichtbar. Im Garten züchtet Viktor alles was wächst und gedeiht und ist weitgehend Selbstversorgen:

Viktor Dragomirow 4'09 - Hilfe ist wichtig - 4'42

"Das Glashaus ist eine wichtige Hilfe, weil es gegen Wind, Wetter und Hagel schützt. Wird hatten bereits einmal Hagelschlag, der Gurken und Tomaten vernichtet hat. Doch für eine neuerliche Aussaat im Herbst war es bereits zu spät, weil dann der Frost einsetze. Das ist somit eine Sicherheitsgarantie."

Viktor und seine Frau haben gemeinsam eine Pension von 150 Euro, die Fixkosten betragen 15 Euro. Hilfe zur Selbsthilfe für bedrohte soziale Gruppen leistet das IKRK auf vielfältige Weise:

Cyril Jaurena

5'08 - Hühner - 5'39

"Wir haben etwa 3.500 Haushalte mit Hühnern versorgt. Dadurch gibt es Eier und Fleisch: Die Idee dahinter ist keine perfekte, langfristige Lösung, sondern eine mittelfristige Lösung auch für einige kommende Wochen."

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Aufklärung über die Gefahr durch Minen:

8'00 - Minen - 8'38

"Wir versuchen Kindern die Gefahr bewußt zu machen, mehr als 6.000 Kinder haben wir im Vorjahr dabei in den Schulen aufgeklärt. Wir haben auch eine Theatertruppe, die umherzieht, um über die Gefahren aufzuklären. Außerdem haben wir allein dieses Jahr mehr als 1000 Warnschilder mit dem Totenkopf verteilt, die auf die Minengefahr aufmerksam machen."

Fünf Jahre dauert der Krieg in der Ostukraine bereits; sein Ende ist nicht absehbar, während der Verlierer schon feststeht, die Zivilbevölkerung, für die der Alptraum kein Ende hat, während in der EU der Krieg vor ihren Toren schon vielfachvergessen ist.

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