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Phanar gewährt Kiew Autokephalie

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Kleine Zeitung
Berichte Ukraine

Die Ukraine hat seit gestern auch formell eine eigene, von Moskau unabhängige Nationalkirche. Am Tag des Orthodoxen Weihnachtsfests übergab der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios, im Phanar in Istanbul den sogenannten Tomos (Bulle) an den 39-jährigen Metropolit Epifanij (Dumenko), das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU). Mit dieser Bulle wurde die Eigenständigkeit (Autokephalie) der neuen Kirche anerkannt, die Mitte Dezember durch den Zusammenschluss zweier Ukrainischer Orthodoxer Kirchen entstanden ist. Das genaue Ausmaß dieser Unabhängigkeit wird erst eine detaillierte Analyse des Texts der Bulle zeigen, in der die Orthodoxe Kirche der Ukraine als „Geistige Tochter“ des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel bezeichnet wird.

Fest steht aber, dass Bartholomaios, der Primus inter Pares der Orthodoxen Welt, mit seiner Unterschrift die kirchliche Loslösung von Moskau massiv unterstützt hat. Hinter all dem steht Kirchenpolitik, genauer gesagt der Kampf um die Vorherrschaft in der Orthodoxen Welt zwischen Konstantinopel (Istanbul) und Moskau. Dieser Konflikt schwelte schon lange, wurde aber 2016 öffentlich, als die Russisch-Orthodoxe-Kirche quasi in letzter Minute das „Pan-Orthodoxe-Konzil auf Kreta boykottierte, eine Desavouierung, die Bartholomaios offensichtlich nicht vergessen hat. Das Ergebnis ist die größte Spaltung in der (orthodoxen) Christenheit seit eintausend Jahren, denn etwa die polnische und die serbische Orthodoxe Kirche lehnen die Gewährung des Tomos an Kiew strikt ab. Das tun auch Moskau und die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats, die von Moskau bereits vor Jahren eine weitreichende Autonomie erhalten hat und bislang die größte Kirche in der Ukraine ist. Sie brachen ihre Beziehungen zu Patriarch Bartholomaios ab und bezeichneten den Tomos als „Stück Papier“.

Eine wesentliche Rolle im Kirchen-Kampf spielt der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland - die Annexion der Halbinsel Krim vor fünf Jahren, der Krieg in der Ostukraine, wo Moskau die prorussischen Rebellen mit allen Mitteln unterstützt, der Wirtschaftskrieg zwischen beiden Staaten und die Unterdrückung proukrainischer Kirchen in diesen Rebellengebieten. All das hat den schwelenden Kampf um die kirchliche Loslösung Kiews von Moskau voll ausbrechen lassen. Das Moskauer Patriarchat in Kiew wird beschuldigt eine fünfte Kolonne Moskaus zu sein, einen Vorwurf den diese Kirche zurückweist. Dieser Konflikt spielt auch in der ukrainischen Innenpolitik eine wichtige Rolle, und zwar wegen der Präsidentenwahl am 31. März. Nach Umfragen liegt Amtsinhaber Petro Poroschenko nur am dritten Platz, und würde damit nicht einmal den Einzug in die Stichwahl schaffen. Poroschenko wirbt mit dem Motto: Armee -Sprache – Glaube um Stimmen, weil die bisherigen Reformen nicht zu einer besseren sozialen Lage der Masse der Bevölkerung geführt haben. Posroschenko hat die Autokephalie massiv betrieben und war auch am Wochenende bei den Feierlichkeiten in Istanbul dabei. Ob seine Rechnung aufgeht ist fraglich; sicher ist, dass der Kirchenkonflikt in der Ukraine seine bedrohlichen Seiten haben kann, sollten Pfarreien und damit Kirchen des Moskauer Patriarchats gewaltsam zum Übertritt zur neuen Autokephalen Kirche gezwungen werden. So legitim das Streben nach kirchlicher Unabhängigkeit ist, so entscheidend wird es in den kommenden Monaten sein, dass der religiöse Friede in der Ukraine gewahrt werden kann.  

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