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Potentieller Krisenherd Asowsches Meer

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Berichte Ukraine

Zwischen Russland und der Ukraine gibt es einen weiteren potentiellen Krisen- und Konfliktherd – das Asowsche Meer; es ist de jure ein Binnengewässer im Süden der Ukraine und Russlands, und mit dem Schwarzen Meer durch die Meerenge von Kertsch verbunden. Seit der Annexion der Halbinsel Krim im Frühling 2014 kontrolliert Russland den Zugang zum Asowschen Meer völlig, das etwa doppelt so groß ist wie Niederösterreich. Russland nutzt diese Macht, und verzögert die Abfertigung von Schiffen massiv, die die beiden ukrainischen Häfen Mariupol und Berdjansk auflaufen wollen. So betrug die Stehzeit im Obtober im Durchschnitt mehr als drei Tage. Moskau rechtfertigte die Kontrollen mit dem Kampf gegen den Terrorismus, doch betroffen davon sind nur Schiffe, die ukrainische Häfen anlaufen wollen. Die Ukraine und das Europäische Parlament sprechen daher von einer russischen Blockade, und haben Moskau aufgefordert, diese Art Wirtschaftskrieg zu beenden. Befürchtet wird einerseits die Gefahr eines militärischen Konflikts im Asowschen Meer; anderseits befürchtet Kiew, dass Moskau diese Blockade auch auf das Schwarze Meer und den Hafen Odessa ausdehnen konnte. Zwei ukrainische Bohrplattformen 100 Kilometer vor der Küste hält Russland bereits seit dem Jahre 2014 besetzt. In Mariupol und auf Patrouille im Asowschen Meer unterwegs war unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz; hier sein Bericht:  

Mariupol ist der drittwichtigste Hafen der Ukraine. Über ihn und über Berdjansk, den zweiten ukrainischen Hafen im Asowschen Meer, werden etwa 20 Prozent der ukrainischen Exporte zur See abgewickelt. Mariupol leidet bereits unter dem Krieg in der Ostukraine, weil wichtige Betriebe auf der anderen Seite der Fronlinie liegen. Hinzu kommen Beschränkungen für die Schifffahrt durch die Krim-Brücke, die die annektierte Halbinsel mit dem russischen Festland verbindet. Der nächste große Schlag erfolgt im Mai dieses Jahres mit der Freigabe der Krim-Brücke für den Verkehr. Seit dem ist die Meerenge von Kertsch nur nach massiven russischen Kontrollen passierbar. Die Folgen beschreibt der Direktor des Hafens von Mariupol, Alexander Olejnik, so:

"Stehzeiten bedeuten für diese Schiffe Kosten von 10.000 bis 15.000 US-Dollar pro Tag. Somit ist es für den Reeder nicht mehr gewinnbringend, ukrainische Häfen im Asowschen Meer anzulaufen. Binnen fünf Jahren hat sich die abgefertigte Tonnage im Hafen praktisch halbiert. Russland will damit die Ukraine wirtschaftlich destabilisieren."

Militärisch ist die Ukraine im Asowschen Meer klar schwächer als Russland. Das gilt nicht nur für das Zahlenverhältnis bei der Kriegsmarine, sondern auch für die Küstenwache. Es fehlt an modernen und damit schnellen Schiffen. Ein Problem für die ukrainischen Einsatzkräfte ist der Vertrag zwischen Russland und der Ukraine, der das Asowsche Meer als Binnengewässer beider Staaten definiert, ohne Nutzung oder Grenzen klar zu regeln; dazu sagt in Mariupol der Pressesprecher der ukrainischen Küstenwache, Artem Poljakow:

"Fast täglich beobachten wir zwischen drei und fünf Schiffe der russischen Küstenwache. Diese Schiffe dürfen sich nach dem bilateralen Vertrag frei in den Gewässern des Asowschen Meeres bewegen, Schiffe anhalten und Kontrollen durchführen."

In Kiew befürchten Experten, dass Moskau seine Vorgangsweise im Asowschen Meer auf das Schwarze Meer ausdehnen könnte, über das bis zu 80 Prozent der ukrainischen Exporte zur See in Richtung Bosporus laufen; die möglichen Absichten Moskaus erläutert in Kiew der Chefredakteur der Online-Zeitung „BlackSea News“, Andrej Klimenko, so:

"Es ist kein Geheimnis, dass es bis zum Krieg in den südlichen Regionen der Ukraine eine starke Unterstützung für den früheren Präsidenten Viktor Janukowitsch und eine ziemlich starke prorussische Stimmung gab. Jetzt ist das nicht mehr so, aber nichts desto trotz ist die politische Lage doch um einiges anders als im Rest der Ukraine. Daher verliert Russland nicht die Hoffnung, dass es ihm gelingen könnte, die Lage in den südlichen Küstenregionen der Ukraine zu verschärfen, und zwar insbesondere vor dem Wahljahr 2019."

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