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Denis Puschilin zu Minsk

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Berichte Ukraine

Bei den Friedensverhandlungen über den Krieg in der Ostukraine in der weißrussischen Hauptstadt Minsk haben gestern die Konfliktparteien eine neue Feuerpause vereinbart; sie soll übermorgen, am 23, Dezember in Kraft treten. Weihnachtsfrieden brauchte die leidgeprüfte Zivilbevölkerung auf beiden Seiten der 500 Kilometer langen Frontlinie dringend, haben doch die Artillerieduelle in den vergangenen Wochen wieder sehr stark zugenommen. Intensiv gearbeitet wurde in Minsk auch an den Vorbereitungen für einen umfassenden Austausch von Gefangenen, der bis zur Jahreswende erfolgen soll. Ansonsten sind die Verhandlungen aber festgefahren und eine politische Lösung ist auch nach fast vier Jahren Krieg nicht in Sicht. Über die Verhandlungen in Minsk hat unser Ukraine-Korrespondent in Donezk mit dem Chefverhandler der prorussischen Kräfte, mit Denis Pushilin, gesprochen; hier sein Bericht:

Der Krieg in der Ostukraine ist auch ein massiver Propagandakrieg, der mit allen medialen Mitteln und auf allen sozialen Netzwerken geführt wird. Schuld am Beschuss ist natürlich immer die andere Seite, wobei es kaum möglich ist zu klären, wer im Einzelfall tatsächlich zuerst geschossen hat. Eine dauerhafte Feuerpause gilt nach dem Friedensplan von Minsk als Voraussetzung für eine politische Lösung; sie scheitert auch daran, dass die Grundpositionen der Kriegsparteien nicht miteinander vereinbar sind. Kiew will Minsk als Paket umsetzen, Donezk und Lugansk schrittweise. Die Verhandlungen führten daher auch in diesem Jahr zu keinem Erfolg; sie bewertet der Chefverhandler der prorussischen Kräfte in Donezk, Denis Puschilin, so:

"Ohne Umschweife muss man sagen, dass wahrscheinlich der einzige Erfolg im Gefangenenaustausch liegt, der bis Neujahr geplant ist, aber noch nicht stattgefunden hat, was ich unterstreichen muss. Wir sehen aber die Bemühungen des ukrainischen Vertreters in der Untergruppe für humanitäre Fragen. Wir waren immer bereit zum Gefangenenaustausch und warten jetzt nur auf die Ukraine, die wieder ihre Spielchen mit den Listen spielt."

Bei den Listen geht es darum, wer quasi als Kriegsgefangener gilt der ausgetauscht werden kann, und wer als Verbrecher angesehen wird, der nicht freikommen soll. Außerdem gibt es auf beiden Seiten Fälle, dass sich Personen gar nicht austauschen lassen wollen. Über diese Listen wird in Minsk immer wieder gesprochen, ein mühsamer Prozess, bei dem jedes einzelne Schicksal aufs Tape kommt. Thema in Minsk sind auch die menschenunwürdigen Bedingungen an den nur fünf Kontrollposten, an denen täglich etwa 30.000 Personen die 500 Kilometer lange Waffenstillstandslinie überquert. Generell besteht der Eindruck, dass die Infrastruktur auf ukrainischer Seite besser ist, weil es dort mehr Personal und auch eine grundlegende medizinische Versorgung am Kontrollposten gibt; dazu sagt Denis Puschilin:

"Es gibt Ausbaupläne, die Aufgabe dazu hat unser Chef der Republik erteilt; das ist im Laufen. Doch das wird den Zustrom nicht verringern, das können nur weitere Kontrollposten. Die Untergruppe für Sicherheit in Minsk befasst sich mit der Frage weiterer Posten, um den Andrang zu verringern. So haben wir vorgeschlagen, bei Schirokino im Raum Mariupol einen weiteren Posten aufzumachen, doch die Ukraine war dagegen, die weitere Posten sabotiert."

Doch Verbesserungen etwa beim Übergang in der Rebellenhochburg Lugansk scheiterten auch am Widerstand der prorussischen Machthaber; die Zeche des Streits zahl jedenfalls die Zivilbevölkerung. In Kiew gibt es durchaus relevante politische Kräfte, die den Friedensplan von Minsk nicht für zielführend, sondern für ein Instrument russischer machtpolitischer Interesse halten. Und wie sieht Denis Puschilin Minsk:

"Minsk ist heute wahrscheinlich der einzige Ort, um diesen Konflikt zu lösen, weil dort die Konfliktparteien vertreten sind. Jedes andere Format kann nur empfehlenden Charakter haben, wie etwa auch die Gespräche zwischen Russland und den USA, denn dort sind wir mit unserer Meinung und unserer Position nicht vertreten."

Diese Gespräche zwischen Moskau und Washington finden in Belgrad statt; dabei geht es um die Frage, ob und wenn ja in welcher Weise, eine UNO-Friedenstruppe in den Rebellen-Gebieten eingesetzt werden sollte. Die Vorstellungen aller Parteien liegen noch weit auseinander, doch ohne grundlegende Übereinkunft zwischen den USA und Russland wird wohl auch der Krieg in der Ostukraine nicht enden.

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