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Deutsche Altösterreicher in der Karpato-Ukraine

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Unter Maria Theresia begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine starke Ansiedlung von Deutschen aus allen Teilen des Habsburgerreiches in der Karpato-Ukraine, die bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zu Österreich gehörte. Heute ist das Gebiet der westlichste Zipfel im Grenzgebiet zu Ungarn der Slowakei und Rumänien. Gefördert wurde diese damals Ansiedlung auch von den Grafen Schönborn, die nach dem Zweiten Weltkrieg zwar ihr Eigentum dort verloren, nach denen aber bis heute ein Dorf benannt ist. Angesiedelt wurde auch Bewohner aus Ober- und Niederösterreich. Trotz der wechselvollen und tragischen Geschichte dieses Gebiets leben dort noch heute deutsche Altösterreicher, die sich ihren Dialekt über die Jahrhunderte bewahrt haben. Hören sie eine Spurensuche von unserem Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Barthaus, ukrainisch Barbovo, liegt wenige Kilometer südlich von Mukatschewo, der zweitgrößten Stadt der Karpato-Ukraine. Landwirtschaft prägt das Dorf mit seinen etwa 1000 Bewohnern, in dem auch noch etwa 40 deutsche Altösterreicher leben. Einer von ihnen ist der 61-jährige Josef Kaloj; seine Vorfahren stammen aus dem Waldviertel, der deutsche Dialekt wurde und wird über Generationen vererbt; Josef Kaloj erinnert sich:

"Bis sieben Jahre habe ich nicht einmal Ukrainisch gesprochen; dann bin ich in eine ukrainische Schule gegangen, danach habe ich die Universität besucht und bin Tierarzt geworden. Ich bin ausgebildeter Tierarzt."

Kleinvieh und Gärten haben die meisten Bewohner, die damit einen Teil ihrer Versorgung mit Lebensmittel decken. Seit fast 20 Jahren betreibt Josef Kaloj aber auch eine Bäckerei; mit dem Brot, das je Laib umgerechnet 20 Eurocent kostet, beliefert er nicht nur Barthaus, sondern auch Nachbardörfer und Mukatschewo. Deutlich sichtbar ist der Frauenüberschuss im Dorf; ihn erklärt Josef Kaloj so:

"Die meisten Männer arbeiten im Ausland; ganz wenige arbeiten in Mukatschewo, Frauen sind alle hier, doch die Männer arbeiten meistens im Ausland; von dort bringen sie meistens das Geld."

Wie sehr Barthaus einst österreichisch geprägt war, zeigt der Friedhof. Die meisten Grabinschriften tragen deutsche Namen. Die stärkste Auswanderungswelle erfolgte in den 90iger Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion. Das Kirchweihfest im Nachbardorf Pausching, ukrainisch Pawschino, führt die verstreuten Reste zusammen. Der Pfarrer stammt aus dem Bodenseeraum; er lebt seit 24 Jahren in der Ukraine; in Pausching wird die Messe noch zweisprachig gehalten, in anderen Dörfern nur mehr auf Ukrainisch. Warum, erläutert Pater Josef:

"In den anderen Gemeinden ist alles Ukrainisch ohne Dolmetscher, weil niemand mehr da ist, der deutsch versteht oder fast niemand mehr.“

Trotzdem trifft man auch in den Karpaten, im Theresiental, noch auf deutsche Ortsnamen und Altösterreicher deutscher Zunge. Ein Beispiel ist der Ort Königsfeld, ukrainisch Ust Tschorna; er liegt 50 Kilometer nördlich der rumänischen Grenze in den waldreichen Gebieten der Karpato-Ukraine. Forstwirtschaft prägt das Dorf mit seinen etwa 1500 Bewohnern; zu den wenigen deutschen Altösterreichern zählt der 63-jährige Imre Horbas; die Vorfahren des früheren Automechanikers kamen als Schmiede und Holzarbeiter nach Königsfeld. Imre und seine jüngere Schwester Magdalena haben sich ihren deutschen Dialekt bewahrt; ihre Kindheit beschreibt Magdalena Horbas so:

"Unseren Dialekt haben wir von unseren Eltern gelernt; und schriftlich gelernt haben wir es in der Schule. In der Sowjetunion war bei uns Fremdsprache Deutsch in der Schule. Wir Ukrainisch, Russisch und Deutsch gesprochen."

Können Kinder und Enkel noch den Dialekt? Magdalena Horbas:

"No warum? Die Kinder wollen weder so noch so reden aber sie verstehen. Meine Tochter versteht ab sie red, wie wir sagen hojdali wojdali.

Holz ist der zentrale Wirtschaftsfaktor der Region; die meisten anderen Betriebe aus sowjetischer Zeit überlebten den Zerfall der Sowjetunion nicht, mit dem auch eine massive Auswanderung der deutsche Altösterreicher einsetzte; dazu sagt Imre Horbas:

"Wir sind aufgewachsen, a waren 80 Prozent deutsche Leute - es überall deutsch - scheite leute"

Auch eine der beiden Töchtern Magdalenas hat nach Österreich geheiratet; Skype wird auch hier zur regelmäßigen Kommunikation über die Grenzen hinweg genutzt. Und wie ist die wirtschaftliche Lage jetzt in Königsfeld? Magdalena Horbas denkt positiv:

"Es geht schon etwas besser, hoffentlich wird es weiter besser gehen; ich möchte in der Ukraine leben aber ich möchte auch gut leben.

Der kleine Garten hinter dem Haus bessert das tägliche Leben auf, vor allem im Sommer und Herbst, wirkliche Nebenerwerbsbauern gibt es hier nicht. Eine wirtschaftliche Marktnische besetzt in Königsfeld Oleg Efremov; er schnitzt seit 17 Jahren Krippenfiguren für den Export. Pro Figur bekommt er zwischen 20 und 30 Euro; zu seinem Kundenkreis sagt Oleg Efremov:

Von mir kaufen Österreicher; in Ebensee habe ich einen Dauerkunden. Er schickt mir die Bestellungen als Fotos per Email und ich schicke die Figuren dann nach Österreich."

Dass die soziale Lage der Gemeinde schwierig ist, zeigt die Schule. Deutsch ist erste Fremdsprache, doch ohne Hilfe vor allem aus Oberösterreich würden bessere Lehrbehelfe völlige Mangelware sein. Der 35-jährige Deutschlehrer Bogdan Kosjuk hatte selbst noch eine deutsche Großmutter; ihn unterstützen Freunde aus Österreich; Bogdan Kosjuk:

"Viel aus Österreich; die helfen uns sehr viel. Diese Lehrbücher sind alle aus Österreich. Ich habe Bekannte dort, die suchen Bücher, bringen sie, oder schicken sie mit LkW."

Alpiner Tourismus zählt zu den Hoffnungsträgern, sollten die Straßen endlich erneuert sein, die die Anreise massiv erschweren. Zwar gibt es ein Wirtshaus, ein Geschäft und kleinere Hotels, und sogar eine Bäckerei, die ebenfalls einem Altösterreicher gehört, doch für den Fremdenverkehr bleibt noch viel zu tun. Zu den Gästen zählte eine Gruppe österreichisch-deutscher-ukrainischer Studenten, die zu einer Sprachwanderung die Karpaten besuchten; das Zusammentreffen mit den Landsleuten berührte auch sie; ihre Gefühle beschreibt die Niederösterreicherin Daniela Hofer:

"Ausgerechnet am Vormittag waren wir bei einer Dame Ende 50, die tatsächlich so spricht wie ich. Wir sind dann beide in die Mundart verfallen und haben gesprochen miteinander als ob wir Nachbarinnen im Mostviertel."

Beeindruckt ist auch der Oberösterreicher Georg Klambauer:

"Es hat mir getaugt, dass der mi so versteht, wie ich rede, und ich ihn genauso verstehe; beeindruckend, wie sich das hier erhalte hat. Ich wünschte mir, dass hier Programme entstehen, dass das hier weiter gefördert wird."

Fraglich ist, wie lange dieser Dialekt in der Karpato-Ukraine noch zu hören sein wird, selbst wenn sich die wirtschaftliche Lage deutlich verbessern sollte. Der Aderlass war wohl einfach zu groß, den die Umwälzungen des 20. Jahrhunderts auch hier verursacht haben.
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