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Franz Xaver Mozart und Oksana Lyniv in Lemberg

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Kinder prominenter Eltern fällt es im Leben oft schwer aus deren Schatten herauszutreten; noch schwerer hatte es vielleicht sogar der der Halbwaise Franz Xaver Mozart, der jüngste Sohn von Wolfgang Amadeus Mozart, der vier Monate vor dem Tod des musikalischen Genies geboren wurde. Seine Mutter wollte ihn zu einem zweiten Mozart machen, die Kritiker maßen schon den Jüngling an seinem Vater, ein Druck, dem sich Franz Xaver mit 17 Jahren durch seine Übersiedelung nach Galizien und Lemberg entzog. Dort wirkte er viele Jahre geriet aber in sowjetischer Zeit in Vergessenheit. Jetzt entdeckt ihn die westukrainische Stadt Lemberg, ukrainisch Lviv, wieder und Franz Xaver Mozart war heuer sogar der Ausgangspunkt für ein neues Festival klassischer Musik LvivMozArt; ins Leben gerufen hat dieses Festival die ukrainische Dirigentin Oskana Lyniv, die im September das Amt als musikalische Leiterin der Grazer Oper und der Grazer Philharmonie antritt. Lyniv war in den vergangenen zwei Jahren Assistentin des Generalmusikdirektors der Bayrischen Staatsoper. Oksana Lyniv in Lemberg getroffen hat unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz, der sich auf die Suche nach Spuren von Franz Xaver Mozart begeben hat; hier sein Bericht:

Franz Xaver Mozart lebte 25 Jahre in Lemberg, das insgesamt 140 Jahre zu Österreich gehörte. Mozarts Sohn war sehr wichtig für das Musikleben der Stadt; ihn nicht nur für die Ukraine wiederzuentdecken ist das Ziel von Oksana Lyniv; daher begann ihr Festival auch mit zwei Werken von Franz Xaver Mozart; Lyniv ist schlank, hat dunkles Haar, macht einen zierlichen Eindruck; als Dirigentin strahlt sie aber enorme Energie aus, führt Orchester und Sänger mit großer Disziplin aber auch mit Herzlichkeit. Ihre Alma Mater ist die Lemberger Musikakademie, doch Musik wurde ihre bereits im Geburtsort Brodi in die Wiege gelegt, denn Mutter und Vater sind Musiker; Oksana Lyniv erinnert sich:

„Als ich ganz klein war, mein Vater hat gerne musiziert oder improvisiert oder auch Lieder selbst arrangiert, dann saß ich auf seinem Schoß und habe zugehört und habe ganz bedauert, dass ich damals noch nicht Klavier spielen konnte aber habe versucht schon mitzusingen. Das war einfach ganz natürlich, Musik zu machen, das habe ich schon im Kindergarten gewusst."

Lemberg liegt zwar in Osteuropa, strahlt aber mit seinen vielen Kaffes und seinem Zentrum doch schon fast mediterranes Flair aus. Und was liebt Oksana Lyniv an dieser Stadt?

"Ja, eben diese ganz besondere Atmosphäre, die ich auch bis jetzt, obwohl ich jetzt sehr viel reise, kaum noch woanders auf der Welt finde. Also sehr herzliche Leute, auch sehr emotionelle, und eben diese etwas entspanntere Atmosphäre, aber auch sehr schöpferisch."

Mit ihrem Festival LvivMozArt will die Dirigentin der klassischen Musik und der Oper neue Impulse verleihen; doch der 39-jährigen geht es auch um Franz Xaver Mozart selbst; sein Schicksal berührt Oksana Lyniv nicht nur als Künstlerin:

"Wenn ich mir überlege, dass er hier in Lemberg, fast 30 Jahre gewirkt, komponiert und gespielt hat, und so wirklich voll vergessen wurde, das tut mir irgendwie so leid, und es ist für mich ganz spannend, jetzt für ihn eine Art Renaissance zu machen."

Gespielt werden beim Festival aber auch Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, in dessen Schatten der Sohn zeitlebens stand und an dem er immer gemessen wurde. Zu den Mitwirkenden zählt auch die Ukrainerin Sorjana Kuschpler, die als Solistin an der Wiener Staatsoper engagiert ist. Wäre Franz Xaver Mozart ohne den belastenden Familiennamen vielleicht höher eingeschätzt worden? Dazu sagt Sorjana Kuschpler:



"Das glaube ich auch, weil er hat sich selbst unterschätzt; er hat immer seinen Vater geehrt und selber gesagt, dass er nur ein Schatten seines Vaters wäre, aber so ist das halt, und wir haben jetzt die Möglichkeit, ihn zu entdecken und zu preisen."



Im Palais Potocky ist Franz Xaver Mozart derzeit eine Ausstellung gewidmet; hier nahm der 17-jährige 1808 an einem Empfang teil, als Zwischenstation zu einem Grafen als Musiklehrer in der galizischen Provinz. Die Tätigkeit dort hatte Vor- und Nachteile, die Armin Brinzing von der Internationalen Stiftung Mozarteum erläutert:

„Er hat da ganz gut verdient, hatte Zeit, weiter zu studieren, zu komponieren, aber auf die Dauer war es für ihn natürlich kulturell sehr unbefriedigend, weil es auf diesen kleinen Landresidenzen kein kulturelles Leben gab."

1813 kam Franz Xaver dann nach Lemberg. Er unterrichtete die Töchter von Josephine Baroni-Cavalcabo, seinem Lebensmenschen, und entwickelte das Musikleben von Lemberg; dazu sagt Armin Brinzing:

"In seinen Briefen, zum Beispiel an die Mutter, schreibt er immer wieder, dass er sich erhofft, durch seine Aktivitäten hier in Lemberg, vor allem durch die Gründung des Cäcilien-Vereins, also eines Musikvereins, der vor allem große Chorwerke aufgeführt hat, sich einen Namen zu machen, und dann dereinst einmal eine interessante Anstellung in Wien zu bekommen."

Doch diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Armin Brinzing ist auf Spurensuche in Lemberg. Der Großteil des Nachlasses von Franz Xaver Mozart ist in Salzburg; Irina Antonjuk, Musikhistorikerin und Leiterin der Bibliothek des Nationalkonservatoriums, dämpft die Erwartungen:



"Voraussichtlich nicht viel; anderseits sind unsere Bestände noch nicht völlig erforscht und warten noch auf ihren Forscher. Wir arbeiten viel, doch das Material ist enorm und man muss es sorgfältig und umfassend sichten."

Klar ist dagegen der bedeutende Einfluss von Franz Xaver Mozart auf die musikalische Entwicklung der Stadt; ihn schildert die ukrainische Musikhistorikerin Ljuba Kijanovska:

"Erstens diese Gesellschaft Cäcilien-Verein war sozusagen der Urvater unserer Musikausbildung - weil das Gesangsintsitut war ein Vorläufer des späteren Konservatoriums."

Franz Xavers Wiederentdeckung durch das Festival sollte auch der Forschung Auftrieb geben; doch Premierenbesucher wie Alexander erhoffen sich mehr:

"Ich hoffe dass Franz Xaver Mozart wirklich eine Entdeckung für Lemberg ist und dass das Festival zur Tradition wird. Für uns ist das eine Chance, sich Europa anzunähern; zwar waren wir immer Europa, doch nicht immer hat uns Europa als Teil angenommen."

Die Leiterin des Festivals, Oksana Lyniv hat jedenfalls große Pläne:

"Ich möchte alle historischen und kulturellen Beziehungen zwischen Ukraine und Österreich erforschen. Und es gibt noch viel mehr Namen, die mich interessieren; zum Beispiel: ich bin selbst in Brodi geboren, und das ist die Geburtsstadt von Josef Roth; und immer noch steht bei uns eine zertrümmerte Synagoge; wenn ich das anschaue, bekomme ich schon Gänsehaut, und in zwei Jahren möchte ich zum Beispiel da auch ein großes Requiem schon für Josef Roth machen; auch mit Installationen; und ich träume zum Beispiel davon, dass vielleicht ein österreichischer Chor mit unserem wunderschönen Lemberger Knabenchor vielleicht da zusammen singen kann."
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