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Visaliberalisierung als Herausforderung

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Berichte Ukraine
Ab 11. Mai können Ukrainer ohne Visum in die Europäische Union einreisen sofern sie einen biometrischen Reisepass haben. Bis Jahresende dürfte jeder achte Ukrainer ein derartiges Dokument besitzen. Diese Ukrainer dürfen sich dann binnen 180 Tagen 90 Tage in der EU aufhalten. Arbeitsgenehmigung ist damit aber nicht verbunden. Sollte die Visafreiheit mißbraucht werden, kann sie für die Ukraine wieder ausgesetzt werden. Kiew sieht in der Visaliberalisierung einen wichtigen Schritt der Öffnung der EU, aber auch einen Vorsprung gegenüber Russland, für dessen Bürger weiter die Visapflicht gilt. Doch auch für die Ukrainer ist die Visaliberalisierung mit Auflagen verbunden; dazu zählt eine Reiseversicherung und außerdem muss genügend Geld für den Aufenthalt im Ausland vorhanden sein, wobei diese Summe von Land zu Land unterschiedlich ist. Österreich hat als einziges EU-Land keine genaue Summe festgelegt. Im Durchschnitt stellte Österreich bisher 25.000 Visa für Ukrainer pro Jahr aus; die Ablehnungsquote lag bei einem Prozent. Aus der Ukraine berichtet Christian Wehrschütz:

Der Übergang Schegine-Medyka ist einer von acht Grenzübergängen zwischen Polen und der Ukraine. 6.000 Fahrzeuge und 15.000 Personen passieren ihn täglich. Etwa die Hälfte nutzt den Übergang zum kleinen Grenzverkehr; nach der Visaliberalisierung wird an der gesamten Grenze zu Polen eine Zunahme der Reisetätigkeit um 20 Prozent erwartet, eine beherrschbare Zunahme für beide Staaten Die polnisch-ukrainische Grenze ist eine Außengrenze der EU. Sie überwachen gemischte Patrouillen beider Staaten; weit verbreitet ist Zigarettenschmuggel auch mit Kleinflugzeugen und Paragleitern über die grüne Grenze; vernachlässigbar ist die Zahl illegaler Migranten betont Iwan Galkin, Pressesprecher der ukrainischen Grenzpolizei am Übergang Schegine:

"Das sind Einzelfälle etwa von Personen aus Südostasien, Nordafrika oder Ost- und Zentralasien. In der Regel sind das Personen, die legal in die Ukraine eingereist sind und dann illegal die Grenze überqueren wollen."

Auf dem Weg zur Visaliberalisierung intensivierte sich der grenzüberschreitende Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. Mit allen EU-Nachbarstaaten werden Daten online ausgetauscht und alle Computer sind auch an das System der Interpol angeschlossen. Dazu sagt in Kiew Oleg Slobodian von der ukrainischen Grenzpolizei:

"Allein im Jahre 2016 hatten wir mehr als 9.500 Abfragen aus den Basisdaten von Interpol. Fast 3.000 Personen wurden festgenommen, die wegen Verbrechen in der EU gesucht wurden."

Die ukrainischen biometrischen Pässe entsprechen allen europäischen Standards. Seit die Visaliberalisierung fix ist, stieg die Nachfrage stark an; wer einen Pass binnen sieben Tagen erhalten will, muss umgerechnet 28 Euro bezahlen; bei einer Wartezeit von 20 Tagen sind es 19 Euro. Nach Umfragen möchte jeder dritte befragte Ukrainer im Ausland arbeiten; doch nur jeder Vierte von ihnen sieht auch gute Berufsaussichten; am besten sind sie in Polen, wo im Vorjahr bereits etwa 1,2 Millionen Ukrainer legal arbeiteten; in Kiew befasste sich eine Konferenz mit den Folgen der Visaliberalisierung, wobei die Ukraine allerdings bereits jetzt mit einer beträchtlichen Arbeitsmigration zu kämpfen hat; zu den Motiven der Migration sagt die polnische Migrationsforscherin Marta Jaroszewicz:

„Am wichtigsten sind Arbeitsgesetzgebung und Lohnniveau in Polen, das Arbeitskräfte braucht und ziemlich offen ist bei der Aufnahme ukrainischer Migranten. Nach der Visaliberalisierung erwarten wir keine starke Zunahme, abgesehen von zusätzlichen Saisonarbeitern. Doch nach der Visaliberalisierung besteht auch die Möglichkeit, dass Ukraine dorthin gehen, wo die Löhne höher sind, wie in Deutschland oder Tschechien."

In Kiew und anderen Städten wurde die Visaliberalisierung mit Flaggenparaden gefeiert; mehrfach verschoben hatte so mancher Ukrainer gar nicht mehr daran geglaubt, dass das Reisen in die EU irgendwann wirklich einfacher werden wird; an der Feier zur Visaliberalisierung teilgenommen hat auch die Kiewerin Valeria:

"Das ist vor allem etwas für die Jugend. Wer Auto stoppen kann, wer andere Möglichkeiten zum billigen Reisen findet, der findet auch die Mittel und kann Europa kennenlernen."
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