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Reportage aus Lugansk

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Berichte Ukraine
Lugansk ist die zweite prorussische Rebellenhochburg ganz im Osten der Ukraine. Die Stadt liegt keine 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt; erreichbar ist sie von ukrainisch kontrolliertem Territorium aus nur über eine schwer beschädigte Fußgängerbrücke, die etwa 10 Kilometer von Lugansk entfernt ist. Lugansk und der gleichnamige Bezirk zählten bereits vor dem Krieg zu den unterentwickelten Regionen der Ukraine. Der Krieg und die der seit Monaten tobende Handelskrieg mit Kiew haben die Stadt und das umliegende Rebellen-Gebiet massiv getroffen, das nun völlig von russischer Hilfe abhängt. In Lugansk war in dieser Woche unser Korrespondent Christian Wehrschütz; hier sein Bericht:



Am Höhepunkt der ukrainischen Belagerung im Sommer 2014 glich Lugansk einer Geisterstadt. Fast drei Jahre später sind viele Bewohner zurückgekehrt, auch weil sie sich das Leben auf ukrainischem Territorium nicht leisten können. Hinzu kommen Zuwanderer aus umliegenden Städten; die Einwohnerzahl schätzt die Stadtverwaltung auf 440.000; vor dem Krieg waren es 460.000; vielerorts sichtbar sind Zerstörungen; Plakate erinnern ebenfalls an den Beschuss; sie zeigen angreifende ukrainische Kampfflugzeuge mit dem vielsagenden Text: „Wir vergessen nicht, wir verzeihen nicht“. Doch abgesehen vom medialen Krieg ist es in Lugansk selbst ruhig; ukrainische Produkte sind verschwunden, wurden durch Waren aus Russland ersetzt; der Rubel ist nun das Zahlungsmittel. Die Bewohner sind Heimwerker; diese Fähigkeit nutze die Stadt zum Wiederaufbau, erläutert der amtierende Bürgermeister von Lugansk, Manolis Pilawow:



"Wir stellen Baumaterial zur Verfügung, und die Bewohner richten dann praktisch selbst ihre Häuser wieder her. So haben wir in den vergangenen drei Jahren in der Stadt Lugansk etwa 2.000 private Häuser und 260 mehrstöckige Wohnhäuser wiederherstellen können, die durch Beschuss schwer beschädigt wurden."



Zu den größten Problemen zählt die Wasserversorgung, die über ukrainisch kontrolliertes Territorium erfolgte; nun ist Lugansk gezwungen eigene Quellen und Grundwasser zu nutzen; daher sei Wasser knapp, sagt Manolis Pilawow:



"Früher bekamen wir 165.000 Kubikmeter Wasser täglich; jetzt müssen wir mit 90.000 Kubikmeter auskommen. Wenn wir die eigene Filterstation wieder in Betrieb nehmen werden, so bringt uns das noch 30 Prozent, dann können wir damit auskommen. Schwieriger wird es im Sommer, weil viele Menschen das Trinkwasser auch zum Gießen verwenden; da wird uns das Wasser dann nicht reichen."



Völlig unterbrochen sind die Wirtschaftsbeziehungen mit der Ukraine; zunächst blockierten ukrainische Veteranen die Verkehrswege, dann enteigneten die Rebellen alle ukrainischen Betriebe und schließlich verhängte Kiew eine totale Wirtschaftsblockade. Sie kann Lugansk trotz Umorientierung auf Russland bisher nicht kompensieren; Manolis Pilawow:



"Wir haben in der Stadt 92 Großbetriebe, die bis Kriegsbeginn alle gearbeitet haben. Jetzt arbeiten davon 57 Betriebe, doch mit unterschiedlicher Auslastung, von 10, 20 und bis 50 Prozent, doch das ist dann schon gut, und das wirkt sich natürlich auf den Lebensstandard in unserer Stadt aus."



Die Blockade treffe aber auch die Ukraine selbst, betont Manolis Pilawow:



"Die Ukraine kauft von uns keine Kohle mehr; daher sucht unsere Führung einen Absatzmarkt. Es ist kein Geheimnis, dass unsere Kohle nach Russland geht und teilweise kauft die Ukraine sie jetzt teurer von Russland. Denn das sind ganz andere Transportwege, weil von uns das ukrainische Territorium nur 20 Kilometer entfernt ist. Doch wie lautet ein russisches Sprichworte: "Im trüben Wasser fängt man leichter Fische“. Für die einen ist das eine Antiterroristische Operation, für die anderen ein Krieg, und für wieder andere ein gutes Geschäft, um es zivilisiert auszudrücken."





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