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Leonid Kutschma zum Krieg und zur Lage der Ukraine

Fernsehen
ZiB2
Berichte Ukraine
Mit ersten Jänner übernimmt Österreich den Vorsitz in der OSCE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Daher wird Außenminister Sebastian Kurz bereits Anfang Jänner in die Ostukraine kommen, um sich in der Nähe der Frontlinie selbst ein Bild von der Lage zu machen. Eine ihrer zentralen Aufgaben der OSZE ist es, einen stabilen Waffenstillstand durch eine Truppenentflechtung an der etwa 500 Kilometer langen Frontlinie zu erreichen; auch darüber wird bei den Friedensgesprächen in Minsk ebenso verhandelt wie über eine politische Lösung. Die Chancen auf Frieden beurteilt im Exklusivinterview für den ORF, der ukrainische Delegationsleiter in Minsk, der zweite Präsident der Ukraine, Leonid Kutschma, alles andere als rosig; trotzdem sei die Aufgabe der OSZE sehr wichtig.



Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Ukraine



Inserts: Ex-Präsident Leonid Kutschma, ukrainischer Delegationsleiter in Minsk



Gesamtlänge: 3‘19



Zentrale Aufgabe der OSZE in der Ostukraine ist die Überwachung der Feuerpause und leider viel zu oft die Dokumentation der Verstöße gegen die Waffenruhe. 16 Österreicher sind als Beobachter im Einsatz. Eine wichtige Rolle spielt Österreich auf diplomatischer Ebene, weil es mit Martin Sajdik den Chefvermittler bei den Friedensgesprächen in Minsk stellt. Zwei Jahre Gespräche blieben bisher ergebnislos; Österreich müsse als OSZE-Vorsitzender daher bemüht sein, zunächst die Grundlage für eine politische Lösung zu erreichen:      



"Zu Beginn muss man versuchen, das wichtigste Problem zu lösen, das ist die Beendigung der Kämpfe, dass man aufhört, einander zu töten. Wenn die Feuerpause eingehalten wird, kann man am Verhandlungstisch alle anderen Probleme lösen. Hier haben Österreich und die OSZE eine wirklich grundlegende Rolle zu spielen."



Die Erfolgschancen Österreichs beurteilt der ukrainische Delegationsleiter in Minsk nicht gerade rosig:



"Ich sehe vor allem nicht den Wunsch Russlands, in nächster Zeit diesen Konflikt zu beenden. Das ähnelnd schon mehr allen anderen Konflikten im post-sowjetischen Raum, von denen kein einziger bisher beendet worden ist. Für Berg-Karabach wurde 1992 eine Kommission geschaffen, und wie viel Zeit ist vergangen. Daher glaube ich nicht, dass der Konflikt in der Ukraine morgen oder übermorgen enden wird; das entspricht heute mehr einem eingefrorenen Konflikt, weil das im Interesse einer Seite liegt."



Als zweiter Präsident der Ukraine hat Kutschma Wladimir Putin mehrfach getroffen; Vertraut ist ihm auch die Politik der EU und ihrer Mitglieder, die der Ukraine bis heute eine klare europäische Perspektive verweigern:



"Europa gestaltet seine Beziehungen zu uns bis heute über Moskau. Das gilt auch für die Konfliktlösung, weil viele europäische Hauptstädte überlegen, was Moskau darüber denkt, und was sie verlieren könnten. Niemand ist interessiert, die Ukraine wirklich als gleichberechtigten, strategischen Partner zu betrachten; das gilt natürlich nicht für Polen und die drei Baltischen Staaten, doch ihre Stimmen reichen nicht aus; und Sie kennen auch die Haltung Österreichs - was ist das die Ukraine? Russland dagegen, das ist ein großer Markt."



Die einseitige außenpolitische Orientierung von Staatspräsident Petro Poroschenko auf den Westen hält der zweite Präsident der Ukraine für falsch:



"Ich war, bin und bleibe der Anhänger eine Außenpolitik, die mehrere Richtungen hat. Da kam der Herr Poroschenko und sagte, wir brauchen Russland nicht, wir orientieren uns nur auf Europa hin und haben nur eine Richtung. Das was Kutschma gemacht hat, war schädlich für die Ukraine. Und was zeigte sich: Europa braucht uns nicht, und Russland und den Markt der anderen post-sowjetischen Staaten haben wir verloren."



Kutschma sieht die Zukunft der Ukraine auch nicht in der EU. Sie sei nicht vorteilhaft, weil im Falle einer völligen Marktöffnung ukrainische Produkte nicht konkurrenzfähig gegenüber den europäischen Produkten sein könnten.

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