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UNHCR warnt vor weiterer Verschlechterung der humanitären Lage

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Berichte Ukraine
Das Flüchtlingshochkommissariat der UNO, das UNHCR, warnt vor einer weiteren Verschlechterung der humanitären Lage in der Ostukraine. Von dem seit fast drei Jahre tobenden Krieg sind nach Schätzungen etwa fünf Millionen Menschen betroffen. Dazu zählen Menschen, die in beschädigten Häusern ohne ausreichende medizinische Versorgung, ohne reines Wasser und oft ohne Strom leben müssen, Pensionisten in den prorussischen Rebellengebieten, die keine Renten erhalten sowie hunderttausende Binnenvertriebene. Ein weiteres großes Problem sind nicht explodierte Sprengmittel und Minen sowie die langen Wartezeiten an den Kontrollposten entlang der Waffenstillstandslinie, die pro Tag etwa 30.000 Personen passieren. In Kiew hat unser Korrespondent Christian Wehrschütz mit Pablo Mateu, dem Vertreter des UNHCR in der Ukraine gesprochen; hier sein Bericht:  



In den prorussischen Rebellengebieten der Ostukraine haben seit Kriegsbeginn alle ukrainischen Banken geschlossen. Um ihre Pensionen und Sozialleistungen zu bekommen, mussten sich Renter daher auf Gebieten registrieren lassen, die von der Regierung in Kiew kontrolliert werden. Das taten auch viele Pensionisten; doch mit einer Rente von umgerechnet 40 Euro im Monat kann man nicht auch noch Miete zahlen; daher leben viele Pensionisten weiter in den Rebellengebieten. Ihnen strich Kiew im Februar die Pensionen; zwar gibt es ein Verfahren, diese Renten wieder zu bekommen, doch offensichtlich ist das Kiew kein Herzensanliegen, weil viele Ukrainer in den Bewohnern der Rebellengebiete einfach nur Anhänger von Separatisten sehen. Das UNHCR steht auf dem Standpunkt, dass jeder Rentner Anspruch auf seine Pension hat, ganz gleich, wo er lebt. Die Politik der Regierung in Kiew kommentiert der Leiter des UNHCR in der Ukraine, Pablo Mateu, so:



"Die Regierung hätte Bankomaten unmittelbar auf ukrainischer Seite der Waffenstillstandslinie an den Kontrollposten einrichten können. Denn manche Rentner hängen völlig von ihren Pensionen und anderen Sozialleistungen ab. Unter der Aussetzung der Auszahlungen leiden viele Familien. Es gibt ein Verfahren zur neuerlichen Auszahlung, der aber lange dauert. Zwar bekommen die meisten Personen, bei denen die Auszahlungen eingestellt wurden, nun wieder ihr Geld; doch es gibt nach wie vor eine beträchtliche Zahl an Pensionisten, deren Renten noch immer nicht ausbezahlt werden."



Eine genaue Einschätzung der sozialen Lage der vom Krieg betroffenen Menschen erschweren drei Faktoren: erstens haben internationale Hilfsorganisationen keinen freien Zugang zu den prorussischen Rebellengebieten; zweitens ist die Zahl der Binnenvertriebenen umstritten; Kiew gibt 1,8 Millionen an, das UNHCR ging für 2016 von 800.000 aus. Drittens kehren Flüchtlinge auch zurück; dazu sagt Pablo Mateu:



"Menschen kehren zurück, aber vielfach nicht deswegen, weil es in ihrem Heimatort bereits sicher ist, sondern weil es sich viele Personen nicht mehr leisten können, auf einem Gebiet zu leben, das von der Regierung kontrolliert wird. Viele dieser Personen mussten Miete zahlen; doch ihr Erspartes ist aufgebracht, daher können sie sich ein Leben in Kiew, Odessa oder Lemberg nicht mehr leisten. Einige mussten auch Aufnahmezentren verlassen. Wir bemühen uns, die Zahl der Binnenvertriebenen zu ermitteln. Ein Anhaltspunkt sind Schulbesuche von Kindern, die als Binnenvertriebene registriert sind. Dieses Verfahren ist im Gange, doch ich rechne damit, dass wir auf eine Zahl kommen werden, die weit unter 800.000 Personen liegen wird."



Nicht zu erfassen sind aber Kriegsflüchtlinge, die sich gar nicht registriert haben, etwas deshalb, weil sie als Männer einer Einberufung in die Armee entgehen wollen. Doch so wichtig auch Zahlen sein mögen, steht fest, dass Binnenvertriebene drei große Probleme haben: Wohnung, Arbeit und Gesundheit; angesichts der insgesamt tristen sozialen Lage, müssten Binnenvertriebene vielfach zwischen diesen Bereichen wählen, erläutert Pablo Mateu:



"Die Gesundheitsversorgung in der Ukraine ist an sich kostenlos. Doch in der Realität muss man zahlen, und zwar für Medikamente und andere Leistungen. Daher mussten viele Binnenvertriebene ihre Ausgaben für Gesundheit kürzen, um Mieten, Lebensmittel und Kleidung bezahlen zu können."



Nach fast drei Jahren Krieg sehen viele Flüchtlinge nun keine Chance mehr auf eine rasche Rückkehr. Damit tritt nun ihre dauerhafte Integration in die Städte und Gemeinden in den Vordergrund, in denen sie leben. Das belastet wiederum diese Gemeinden, die vielfach von ihrer Infrastruktur her kaum darauf vorbereitet sind, zehntausenden Menschen ein menschenwürdiges Dach über dem Kopf zu bieten.  

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