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Ilegaler Bernsteinabbau und die Folgen

Fernsehen
ZiB2
Berichte Ukraine
Während im Osten der Ukraine der Krieg gegen prorussische Separatisten tobt, herrscht im Nordwesten eine Form von Kriegszustand ganz anderer Art. Sondereinheiten der Polizei und die Nationalgarde führen etwa im Kreis Rivne, im Grenzgebiet zu Weißrußland und Polen einen bisher vergeblichen Kampf gegen den illegalen Abbau von Bernstein. Dieser Raubbau und der Schmuggel ins Ausland ist bei weitem nicht nur ein Geschäft der Organisierten Kriminalität; vielmehr dürften mehr als 100.000 Bewohner im Kreis Rivne und weiteren zwei Kreisen von diesem Geschäft leben. Wie einträglich es derzeit wegen der enormen Nachfrage vor allem aus China für die arme Bevölkerung dieser Kreise ist, zeigt er Markpreis. Für 100 Gramm Bernstein guter Qualität werden 600 US-Dollar bezahlt, während der Monatslohn in der Ukraine im Durchschnitt bei etwa 100 Dollar liegt. Bereits 2015 versprach Präsident Petro Proschenko, das Problem zu lösen; doch eine klare gesetzliche Regelung läßt bisher ebenso auf sich warten, wie ein Sieg über die Korruption, die mit dem illegalen Abbau von Bernstein ebenso verbunden ist. Über den Krieg um den Bernstein hat unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz, den folgenden Bericht gestaltet:



Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus dem Kreis Rivne



Insert1: Sergej Knjasiw, Polizeichef von Rivne



Insert2: Dmitro Leontjuk, Journalist beim größten Lokalsender in Rivne



Aufsager: (4’18) Christian Wehrschütz aus dem Kreis Rivne in der Ukraine



Gesamtlänge: 4’39



Letzte Kommandos vor dem Einsatz; dann gehen die Mitglieder ukrainischer Spezialeinheiten der Polizei in Stellung – die Annäherung im Wald erfolgt fast lautlos, um sechs Uhr früh findet der Zugriff statt, rasch und professionell. Gefasst werden drei Männer, die illegal Bernstein waschen. Ihre Wasserpumpen werden beschlagnahmt. Die Männer haben Rückendeckung durch die lokale Bevölkerung, daher ist rascher Rückzug angesagt; zu beseitigen sind einfache Baumsperren, die die Täter angelegt haben, um eine Störung durch ungebetener Gäste zu verhindern. Auf Motorrädern versuchen Helfershelfer, uns den Rückweg abzuschneiden. Warnschüsse vereiteln diesen Versuch.



Wie brenzlig die Lage hätten werden können, zeigen Zusammenstöße zwischen der Polizei und Bewohnern der Dörfer im Kreis Rivne, die es seit 2015 immer wieder gab. Selbst Spezialeinheiten und die Nationalgarde hatten keine Chance, sich gegen die Bevölkerung durchzusetzen, die vom illegalen Bernsteinabbau lebt. Die Beschlagnahme der Dieselmotoren für die Pumpen und einzelne Festnahmen sind praktisch nur ein Tropfen auf den heißen Stein:



„Für mich ist nicht so wichtig, um wie viel heute oder morgen dieser Stein am Schwarzmarkt verkauft wird. Für mich ist wichtig, dass das Dorf keinen Aufstand macht, dass sich nicht Tausende Menschen versammeln, denn ich werde nicht gegen das Volk kämpfen, denn dann werde ich so enden wie mein Vorgänger. Er war ein guter und korrekter Offizier, doch er machte einen taktischen Fehler, und 10 Polizisten landeten im Krankenhaus und Polizeiautos wurden zerstört.“



Illegaler Abbau von Bernstein ist in Rivne und anderen Kreisen der Ukraine keineswegs nur ein Geschäft der organisierten Kriminalität, sondern die zentrale Einnahmequelle für weite Teile der Bevölkerung. Früher arbeiteten viele in Russland, doch durch die massiven Spannungen mit der Ukraine fehlt nun diese Möglichkeit. Enorm sind die Schäden für die Umwelt, die dieser Raubbau anrichtet. Mange Gebiete erinnern an Mondlandschaften. 3000 Hektar Wald sollen weitgehend zerstört sein, doch genaue Schätzungen fehlen. Enorm sind auch die Einnahmen, die dem ukrainischen Staat entgehen:



„Den Umfang dieses Schwarzmarktes hat von einem Monat der Generalstaatsanwalt der Ukraine, Juri Luzenko, in Rivne auf eine Million US-Dollar pro Tag beziffert. Bei der „Operation Bernstsein“, der größten Aktion der Sicherheitskräfte in der Geschichte der Ukraine bisher, wurden folgende Personen festgenommen: der stellvertretende Staatsanwalt des Kreises Rivne sowie Mitarbeiter der Staatssicherheit und der Polizei. Doch es geht an sich nicht darum, wer sich bestehen lässt oder nicht. Das Problem liegt im Fehlen einer Alternative. Wenn jemand zu einem Dorfbeamten oder Förster kommt, die im Monat zwischen 100 und 170 Euro verdienen und sagt, hier hast du 10.000 US-Dollar und wir waschen dafür Bernstein, dann kann er das Geld annehmen, oder man wird ihm sein Haus anzünden, wenn er Nein sagt.“



Nur ein staatliches und ein privates Unternehmen dürfen in der Ukraine legal Bernstein abbauen und weiterverarbeiten. Ihre Kapazitäten decken den Bedarf bei weitem nicht; enorm ist vor allem die Nachfrage aus China. Bei der Ortschaft Klesiw arbeiten daher Staatsbetrieb und Dorfbewohner nebeneinander am Abbau von Bernstein. Gestört wurde die Eintracht von der lokalen Polizei; sie forderte die Dorfbewohner zum Rückzug auf als sie unsere Drohne bemerkte. Nach dem Dreh ging alles wieder seinen gewohnten Gang, wobei anzumerken ist, dass wir auch hier ohne gute Kontakte wohl keine fünf Minuten problemlos hätten filmen können.
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