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Die ukrainische Abkehr vom Großen Vaterländischen Krieg

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Berichte Ukraine
In Österreich und anderen westeuropäischen Staaten ist gestern des Endes des Zweiten Weltkriegs gedacht worden. In Russland und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion wird dagegen erst heute des Sieges mit einer Militärparade gedacht. Dieser Unterschied hat historisch damit zu tun, wo und wann die Deutsche Wehrmacht gegenüber den Westmächten und der Sowjetunion 1945 kapituliert hat. Diesen Unterschied nutzt in den Daten nutzt nun die Ukraine zunehmend zur weltanschaulichen Abkehr vom früheren großen Bruder in Moskau. Die Ukraine gedenkt nun am 8. und 9. Mai; durch die stärkere Betonung des 8. Mai will Kiew auch ein Zeichen in Richtung Europa setzen aber auch die besondere Rolle betonen, die die Ukraine als Kriegsschauplatz spielte. Aus Kiew berichtet unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz:

In der Ostukraine tobt seit zwei Jahren ein Krieg unter russischer Beteiligung; dieser Umstand überschattet natürlich auch heuer das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Kiew. So eröffnete Präsident Petro Poroschenko gestern eine Ausstellung mit Porträts von Müttern, deren Kinder in der Ostukraine kämpfen oder gefallen sind; heute nahm Poroschenko an einem Gebet für die Soldaten teil, die im Osten im Einsatz sind. Die Gedenktage stehen in der Ukraine unter dem Motto: „1939 – 1945 Wir gedenken – Wir siegen“. Als neues Symbol dient eine Rot-schwarze-Mohnblume, verschwunden sind alle Symbole, die heute noch in Russland verwendet werden. Konzipiert hat diese neue Form in Kiew das Institut für nationale Erinnerung, das der Regierung untersteht. Sein Direktor, Wolodimir Wjatrowitsch, begründet die neue Form so:

"Russland nutzte und nutzt die sowjetische Art des Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg zur Bewahrung seines Einflusses im postsowjetischen Raum. So gedachten - abgesehen vom Baltikum - alle anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion des Endes des Zweiten Weltkrieges am 9. Mai auf russische Weise. Wir haben nun diese Abkehr vollzogen. Wir sprechen nicht von Feiern, sondern von Ehrfurcht vor den Opfern, wir halten keine Militärparade mehr ab, sondern haben kleinere Veranstaltungen als Erinnerung an alle Opfer dieses Krieges."

Der deutsch-sowjetische Krieg spielte sich vor allem auf heutigem ukrainischem Territorium ab; die Ukraine zahlte einen enorm hohen Blutzoll, enorm waren auch die Zerstörungen. Nach Kriegsende brandmarkte die sowjetische Geschichtsschreibung und Propaganda alle Ukrainer als faschistische Kollaborateure und Verbrecher, die für eine unabhängige Ukraine gekämpft hatten. Diese Darstellung wirkt bis heute nach spaltet die Ukraine bis heute. Dazu sagt Wolodimir Wjatrowitsch:

Eine paradoxerweise positive Folge des heutigen Krieges ist, dass er zum Prozess der Aussöhnung über den Zweiten Weltkrieg geführt hat. Unabhängig davon auf welcher Seite der Front die Großeltern gekämpft haben, kämpfen heute die Enkel gemeinsam bei der Verteidigung der unabhängigen Ukraine; das ist sehr wichtig, weil es zeigt, dass die Ukrainer vereint sind im Schutz ihres Staates."

Diese Bewertung gilt jedenfalls nicht für die prorussischen Rebellen-Gebiete von Donezk und Lugansk. Dort finden heute auch Siegensparaden nach russischem Muster statt, Vertieft wird die Spaltung zwischen Donezk und Lugansk sowie Kiew zusätzlich durch die Beseitigung kommunistischer Symbole, vom Denkmal bis zum Straßennamen, die nun in der Ukraine voll im Gange ist. Dazu sagt in Kiew der Direktor des Instituts für nationale Erinnerung, Wolodimir Wjatrowitsch:

„Erfolgreich waren nur die Länder, die wirtschaftliche und politische Reformen mit der Abkehr vom Totalitarismus verbunden haben. Das zeigen Beispiele postkommunistischer Länder in Osteuropa, die Mitglieder von EU und NATO wurden und jetzt sichere Länder sind. Dagegen scheiterten Länder, die ohne diese Abkehr wirtschaftliche und politische Reformen versucht haben. Das zeigen die Ukraine, Weißrussland und Russland, das überhaupt das beste Beispiel ist. Hinzu kommt, dass auch der russische Staat derartige sowjetische Mythen und Stereotype unterstützt und die sowjetische Vergangenheit rehabilitiert."

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