Reportage aus Lugansk
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Berichte Ukraine
Vorgestern hielten die Soldaten der sogenannten Volksrepublik von Lugansk wieder ein Manöver ab; zum Einsatz kamen sogar schwimmfähige gepanzerte Fahrzeuge, mit denen ein rascher Flussübergang geübt wurde. Binnen weniger als zwei Jahren wurde aus schlecht ausgerüsteten Landsknechten - wohl auch mit russischer Hilfe - eine disziplinierte Truppe. Am Fluss „Serverskij Donezk“ liegt gegenüber der Ortschaft Stanica Lugansk der wichtigste Übergang entlang der Waffenstillstandslinie. Doch die Brücke ist seit 10 Tagen durch die Ukraine gesperrt; auf prorussischer Seite versieht Nikolaj Kuzmin seinen Dienst am Kontrollposten der Rebellen. Er stammt aus Stanica Lugansk und war vor dem Krieg Förster; die Bedeutung des Übergangs beschreibt er so:
"Bis zu 4.500 Personen passierten hier pro Tag den Übergang von beiden Seiten; das wichtigste dabei war, dass die Menschen aus Lugansk kamen, um ihre ukrainischen Pensionen abzuholen. Das hat der ukrainischen Verwaltung nicht geschmeckt, weil die Bankomaten sogar viermal am Tag nachgefüllt werden mussten, so groß war der Andrang der Pensionisten."
Kuzmin gibt an, dass hier nur die ukrainische Seite ständig die Feuerpause verletzten würde, eine Behauptung, die sich nicht überprüfen lässt. Der Kontrollposten ist keine 20 Kilometer von Lugansk entfernt. Die Stadt liegt weiter von der Frontlinie weg als Donezk und daher nicht unter Beschuss. Sichtbar sind Leben und Bewohner nach Lugansk zurückgekehrt; der Verkehr hat zugenommen, Märkte, Geschäfte und Kaffes haben zunehmend geöffnet, trotzdem ist die soziale und wirtschaftliche Lage schwierig. Die ukrainische Blockade trifft die Bevölkerung und viele Betriebe hart, die Produktion ist durch den Mangel an Ersatzteilen und Lieferungen gesunken, der russische Markt muss nach kriegsbedingter Absenz wieder aufgebaut werden. Ukrainische Waren und die Währung Griwna sind fast verschwunden, es rollt nur mehr der russische Rubel, und Waren aus Russland und Weißrussland dominieren. Lugansk Stadt ist bestrebt, die Abhängigkeit von der Ukraine – von der Wasserversorgung bis zum Bankwesen – so stark wie möglich zu verringern. Während alle ukrainischen Banken gesperrt sind, wird das Embargo mit Hilfe von Südossetien umgangen, das sich mit Moskaus Hilfe von Georgien abgespalten hat. Dazu sagt der Bürgermeister von Lugansk, Manolis Spilawow:
"Das Bankensystem ist eines der wichtigen Probleme; doch die Volksrepublik von Lugansk hat Südossetien anerkannt, und über deren Bank arbeiten wir. Das ist natürlich sehr schwierig und unangenehm, weil es nur eine Bank gibt. Doch es gibt eben einen Ausweg, weil man Geld nicht mit Koffern transportieren kann. Diese Bank ist heute unsere Rettung."
Versucht wird, so weit wie möglich zu einem normalen Leben zurückzukehren; dazu zählt, dass die Miss Universität Lugansk zum ersten Mal wieder gekürt wurde. Unter den neun Kandidatinnen siegte die 17-jährige Sportstudentin Julia Tscherkasowa:
"Ich gar nicht an eine Karriere als Modell; ich möchte mein ganzes Leben mit Sport verbinden. Ich möchte Fitnesstrainerin werden, das ist mein großer Traum."
Tscherkasowa war auch während des Krieges in Lugansk; sie glaubt, dass das Leben in der Stadt besser wird. Fraglich ist vor allem wie rasch und in welchem Ausmaß; denn vom Vorkriegsniveau ist Lugansk – auch wegen der Blockade aus Kiew - wohl noch ebenso weit entfernt wie die gesamte Ostukraine von einem dauerhaften Frieden.