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Russland und seine Finanzierung der Rebellen

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Seit einem Jahr wird in der weißrussischen Hauptstadt Minsk über eine Friedenslösung für die Ostukraine verhandelt. Bisher ohne durchgreifenden Erfolg, denn eine Reintegration der prorussischen Rebellengebiete in den ukrainischen Staatsverband ist nicht in Sicht; eher das Gegenteil ist der Fall; einerseits treibt das ukrainische Finanz- und Wirtschaftsembargo die Rebellengebiete immer stärker in Moskaus Arme; andererseits unterstützt Russland politisch, wirtschaftlich und finanziell die Rebellen; doch diese Unterstützung ist auch für Russland mit seiner wirtschaftlichen Krise ein Problem; daher drängt Moskau auf einen höheren finanziellen Eigenanteil der Rebellen in Donezk und Lugansk; aus Donezk berichtet unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Im Raum Lugansk hielten prorussische Rebellen jüngst ein Manöver ab. Es zeigt, dass aus schlecht organisierten Freischärlern eine für ukrainische Verhältnisse recht brauchbare Truppe wurde. Aufbau und Ausrüstung hat wohl Russland finanziert, das auch regelmäßig humanitäre Hilfe leistet, die westlichen Hilfsorganisationen in den Rebellengebieten verboten ist. In Donezk und Lugansk subventioniert Russland auch die Budgets. Genaue Zahlen sind nicht veröffentlicht; doch Boris Litwinow, Mitglied des Finanzausschusses des Parlaments der sogenannten Volksrepublik von Donezk, macht folgende Angaben:

„Nach meiner Schätzung ist das etwa 50 Prozent. Doch vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 30 zu 70; 70 Prozent finanzierte Russland, 30 Prozent wir. Unsere Aufgabe besteht darin, dass Russland nur noch für etwa 30 Prozent aufkommen muss, weil auch in Russland die Wirtschaftslage nicht sehr gut ist.“

Noch schlechter ist die Wirtschaftslage in den Rebellengebieten; die Gründe dafür sind vielfältig; Zerstörungen durch den Krieg, das ukrainische Wirtschaftsembargo, das allerdings durch Korruption gemildert wird, sowie die Erblast eines Kohlebergbaus, der bereits vor dem Krieg oft unrentabel war. Hinzu kommt, dass sich Feuergefechte und Artilleriescharmützel auf die Randzonen der Rebellengebiete beschränken; das hat die Rückkehr von Flüchtlingen verstärkt, die sich ihren Aufenthalt auf ukrainisch-kontrolliertem Gebiet oder in Russland nicht mehr leisten können. In der sogenannten Volksrepublik von Donezk leben jetzt etwa 2,2 Millionen Menschen; 640.000 von ihnen sind Pensionisten; dazu sagt Boris Litwinow:

„Für die Pensionen und Beihilfen brauchen wir im Monat 2,8 Milliarden Rubel; das macht im Jahr etwa 33 Milliarden Rubel. Insgesamt liegen die Sozialausgaben bei etwa 7 Milliarden Rubel im Monat. Ich denke, dass nicht weniger als 50 Prozent des Budgets auf Sozialausgaben entfallen.“

33 Milliarden Rubel sind nach heutigem Kurs umgerechnet 380 Millionen Euro; finanziert Russland tatsächlich die Hälfte des Budgets der Rebellen, dann läge Moskaus Anteil bei 190 Millionen Euro pro Jahr allein für die Pensionen. Doch Russland ist auch der wichtigste Lieferant von Konsumgütern und der größte Abnehmer von Erzeugnissen aus den Rebellengebieten, deren Firmen sich immer stärker auf den russischen Markt orientieren. Dabei wird versucht, auch von den westlichen Sanktionen gegen Moskau zu profitieren. Ein geplantes Projekt erläutert Boris Litwinow so:

„Russland braucht explosionssichere Elektromotoren, die es bisher im europäischen Ausland gekauft hat. Eine eigene russische Produktion fehlt, doch wir produzieren sie wegen unseres Bergbaus auf sehr hohem technischem Niveau. Jetzt wird ein Konzept erstellt, um diese Motoren in einer sehr großen Fabrik zu produzieren.“

Um das Problem mit den Ursprungszeugnissen zu lösen, sollen die Komponenten in den Rebellengebieten gefertigt, die Motoren aber dann auf russischem Territorium zusammengebaut werden. Gelungen ist es Moskau und Donezk auch, das ukrainische Finanzembargo zu umgehen, und zwar über Südosetien, das sich mit russischer Hilfe von Georgien abgespalten hat; Boris Litwinow:

„Geldüberweisungen nach Russland sind möglich; das ist ein brüchiger Kanal, aber es geht, und zwar über Südosetien. Südosetien hat uns anerkannt, wir haben diplomatische Beziehungen; anderseits hat Russland Südosetien anerkennt, das für unsere Überweisungen ein Prozent an Spesen einbehält.“

Alles in allem wird der russische Einfluss in den Rebellengebieten immer stärker; eine Reintegration in die Ukraine liegt in weiter Ferne - solange Moskau den Aufbau eigener staatlicher Strukturen materiell und politisch unterstützt, und Kiew seine Embargo-Politik nicht ändert, die auch zum Verlust von vier Millionen Konsumenten in den Rebellengebieten führt.

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