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Reportage aus Lugansk ein Jahr nach Belagerung

Fernsehen
ZiB2
Berichte Ukraine
Vor einem Jahr waren fast zwei Drittel der 440.000 Bewohner von Lugansk aus der weitgehend von ukrainischen Truppen eingeschlossen Stadt geflohen. Nach deren Niederlage im September begannen Rückkehr und Wiederaufbau, vor allem mit Hilfe aus Russland, und die Zahl der Bewohner wird nun wieder auf etwa 400.000 geschätzt. Sie stehen vor großen Problemen, von stark gestiegenen Preisen bis hin zur Wasserversorgung. Unser Korrespondent Christian Wehrschütz war während der Belagerung in Lugansk; nun hat er die Stadt wieder besucht, die weiter unter der Blockade Kiews leidet, das dieses prorussische Rebellen-Gebiet wirtschaftlich blockiert und kaum Versorgungsgüter durchlässt:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Lugansk

Insert1: Maria, Studentin in Lugansk

Insert2: Manolis Pilawow, Amtierender Bürgermeister von Lugansk

Insert3: Anna Fedorownja, 73 Jahre, Pensionistin

Insert4: Sergej, ausgebombter Bewohner von Lugansk

Gesamtlänge: 2’47

Am Höhepunkt des Krieges im August des Vorjahres glich Lugansk einer Geisterstadt; nicht nur das Zentrum war praktisch verwaist. Nun ist das Leben zurückgekehrt, vom Handel bis zum Verkehr. Weiter geschlossen sind ukrainische Banken, doch über das Internet bieten findige Köpfe eine Umgehung der Finanzblockade an:

„5 Prozent bis 400 Euro , darüber hinaus 4,5 Prozent Provision“  

Unvergleichlich besser ist die Versorgungslage; gleichzeitig sind aber die Preise um 30 bis 60 Prozent gestiegen; wegen des ukrainischen Boykotts stammen mehr als 50 Prozent der Waren aus Russland, 40 Prozent aus Weißrussland, weniger als zehn Prozent aus der Ukraine. Ihre Währung Griwna wird durch den Rubel immer stärker verdrängt. Russland leistet nicht nur Finanzhilfe, sondern versorgt auch Kindergärten mit Lebensmittel. Ein großes Problem ist die soziale Struktur der Stadt, die noch schlechter geworden ist:    

„Bis zum Krieg kamen auf jeden arbeitenden Bewohner zwei Pensionisten; doch vor dem Krieg hatten wir etwa 130.000 Beschäftigte, jetzt haben wir nur 65.000 Beschäftigte. Das hat damit zu tun, dass nicht alle Firmen wieder arbeiten, und viele nicht im vollen Umfang wieder tätig sind.“

Das größte Problem der Stadt ist die Wasserversorgung. Darunter leiden auch die Gärten der Bewohner; eine entscheidende Vorsorgequelle, gerade für den Winter. Die wichtigsten Reservoirs sind unter ukrainischer Kontrolle, teilweise sind sie zerstört, teilweise blockiert:  

„Ich habe 65 Euro Pension; jetzt kostet ein Kilo Kartoffel 70 Cent; da kann ich mit meiner Pension gerade 100 Kilo kaufen. Daher müssen wir unser eigenes Gemüse anpflanzen, doch ohne Wasser verdirbt es.“

Um den Wiederaufbau ist es weit besser bestellt; insgesamt wurden 8.200 Häuser beschädigt oder zerstört, betroffen waren etwa fünf Prozent der Bevölkerung. Das klingt wenig, doch für die Ausgebomten war die Herausforderung groß. Sergej legte selbst Hand an; der pensionierte Schweißer zahlt keine Betriebskosten, denn seine Rente lässt auf sich warten:

„Die Hälfte der Firmen, bei denen ich gearbeitet habe, gibt es nicht mehr. Daher ist es schwierig, die Dokumente für die Pensionen zu bekommen. Daher arbeite ich schwarz“

Das Baumaterial stammt vielfach aus zerstörten Gebäuden, wie dem Flughafen vor der Stadt. Zu renovieren gab es hier nichts mehr. „Ruhm der Ukraine“ stand auf dieser Mauer, doch mit einer baldigen Rückkehr dieses Gebiets unter die Kontrolle Kiews ist nicht zu rechnen.

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