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Kultur und der Krieg in der Ostukraine

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Der Österreicher Kurt Schmid hilft derzeit in der Ostukraine mit, das kulturelle Leben wieder aufzubauen. Schmid spielte bis zu seiner Pensionierung bei den Niederösterreichischen Tonkünstlern; 2002 kam er durch ein Gastspiel auch nach Lugansk und wurde dort dann musikalischer Leiter des Philharmonischen Orchesters. 12 Jahre dauerte sein Einsatz. Nun ist Lugansk seit Monaten in der Hand prorussischer Rebellen. Die Verwaltung des Bezirks übersiedelte daher in die 80 Kilometer nördlich gelegene Stadt Severodonezk. In der 120.000 Einwohner zählenden Stadt baut Schmid nun mit geflohenen Mitgliedern des Ensembles das Orchester wieder auf, das gestern sein erstes Konzert seit März des Vorjahres gegeben hat. Mit dabei war unser Korrespondent Christian Wehrschütz, hier sein Bericht:

„Ich weiß es selber nicht ….

Einem Österreicher sehr vertraute Töne erklangen beim ersten Konzert, das gestern das Philharmonische Orchester von Lugansk in seinem Exil gab. Seine vorläufige Bleibe gefunden hat es in der musikalischen Lehranstalt von Severodonezk, an er etwa 150 Schüler ausgebildet werden. Das Orchester spielte neben Lehar Werke von Schubert, Johann Strauß und ukrainischer Komponisten. Zusammengestellt hat das Programm der Wiener Kurt Schmid, der von 2002 bis März 2014 das Orchester in Lugansk leitete. Bereits vor dem Krieg erlebte Schmid, der bis zu seiner Pensionierung beim Niederösterreichischen Tonkünstler Orchester spielte, in Lugansk wirtschaftliche Höhen und Tiefen der Ukraine mit. Sie betrafen auch die Musiker, erinnert sich Kurt Schmid:

"Meine guten Musiker auch der Konzertmeister, der war sich nicht zu vornehm dass er als Sologeiger in einem Restaurant gespielt hat. Die Bläser haben kleine Gruppen gebildet, Blasquintette, Streichquartette, und haben sowohl bei Hochzeiten gespielt, aber auch bei Begräbnissen und bei Taufen."

Kriegsbedingt zerstreute sich das Ensemble. Knapp die Hälfte der 70 Musiker spielt nun in Severodonezk wieder zusammen; aufgefüllt wurde das Orchester mit Lehrern und Studenten der musikalischen Lehranstalt in Severodonezk. Zur Stammbesetzung zählt Ludmila Derienko. Die Bratschistin verließ Lugansk nicht zuletzt wegen ihrer Krebserkrankung, weil Medikamente kriegsbedingt Mangelware sind. Seit April ist die 56-jährige in Severodonezk, wo sie vom lokalen Roten Kreuz wie andere Binnenflüchtlinge auch, für zwei Tage einen Wecken Brot bekommt. Gemeinsam mit einer Orchestermusikerin lebt sie in dieser kleinen Wohnung. Ludmilla kommt inklusive Gehalt im Monat auf 220 Euro; die Kaltmiete beträgt 25 Euro. … Eine uralte Singer-Nähmaschine steht in ihrer Küche. Die 56-jährige untersetzte Musikerin näht nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Kollegen aus dem Orchester; sie haben ihr wiederum geholfen, arbeiten zu können, erzählt Ludmilla Derienko:

„Als ich hierher kam, hat sich der Orchesterdirektor darum bemüht, dass ich ein Instrument bekomme, weil meines noch in Lugansk war. Das hat mir ein Orchesterkollege zusammengebaut. Als wir dann wieder gearbeitet haben, ist mein Lebenswille zurückgekehrt. Ich habe auf die Krankheit vergessen. Jetzt ist das wieder ein vollwertiges Leben.“  

Der begabte Kollege werkt im Keller der musikalischen Lehranstalt. Er heißt Vadim Zikalowski, spielt Kontrabass und repariert seit 30 Jahren Streichinstrumente. Zikalowski musste seine Werkstadt ebenfalls in Lugansk zurücklassen; doch beim Reparieren gibt es noch andere Herausforderungen, erzählt Vadim Zikalowski:

„Ersatzteile bekommt man auch hier, doch die Qualität ist schlechter, weil deutsche Maschinen besser sind. Daher sind auch die österreichischen Seiten hochwertiger.“

Diese Seiten und noch mehr bringt Kurt Schmid aus Wien mit:

"Was andere Instrumente betrifft, so war ich auch in der glücklichen Lage, dass ich immer wieder auch Sponsoren gefunden habe, die in die Tasche gegriffen haben, und ein Mal einen Baßposaune gekauft haben, oder Schlaginstrumente, da hat es hinten und vorne gefehlt.“

Die Besucher des Konzerts haben von all den logistischen Herausforderungen für Orchester und Musiker natürlich keine Ahnung. Sie sind über die musikalische Abwechslung froh, denn der Alltag in der Ukraine ist ohnehin schwierig genug.

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