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Die Krim ein Jahre nach dem Anschluss an Rußland

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ZiB24
Berichte Ukraine
Während international die Bemühungen auf Hochtouren laufen, den Krieg in der Ostukraine zu beenden, jähren sich in der Ukraine schon bald nicht nur der Jahrestag des Sturzes von Präsident Viktor Janukowitsch, sondern auch der Anschluss der Halbinsel Krim an Russland. Er erfolgte nach einem demokratisch umstrittenen Referendum am 16 März, das USA und EU weiter ebenso wenig anerkennen wie die Abtrennung der Krim von der Ukraine. Während der rechtliche und administrative Anschluß an Russland der etwa zwei Millionen Einwohner zählenden Halbinsel voll im Gange ist, schätzt das UNHCR, dass etwa 10.000 Bewohner die Krim verlassen haben. Die meisten sind Ukrainer und Krim-Tataren, die wichtigsten Volksgruppen auf der Krim, die eine russische Bevölkerungsmehrheit aufweist. Wie es diesen Minderheiten nun geht ist Christian Wehrschütz hat

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Simferopol

Insert1: Valentina Lavrik , Direktorin des Gymnasiums

Insert2: Natalja Gontscharowa, Unterrichtsministerin der Krim

Gesamtlänge: 2'42

Noch immer prägt etwas weihnachtliche Stimmung das Zentrum der Hauptstadt der Krim; bereits vor dem Anschluss glich Simferopol weit mehr einer russischen denn einer ukrainischen Stadt. Straßenschilder tragen noch ukrainische Aufschriften, doch alle ukrainischen Institutionen sind verschwunden. Deutlich macht diesen Wandel auch das Bildungssystem, wie das frühere ukrainische Gymnasium zeigt. Vor dem Anschluss leistete sich diese Eliteschule den fragwürdigen Luxus, Russisch nicht ein Mal als Fremdsprache anzubieten. Nun gibt es noch neun Klassen mit ukrainisch als durchgängiger Unterrichtssprache, während in den 31 übrigen Klassen Russisch Unterrichtssprache ist, und Ukrainisch als ein Fach gelehrt wird. Die Nachfrage geht seit dem Anschluß zwangsläufig zurück, von dem aber die Lehrer profitierten:

"Am ersten Jänner des Vorjahres lag das Gehalt umgerechnet bei 9.300 Rubel; im Mai waren es bereits 19.000 Rubel. Das ist natürlich eine beträchtliche Gehaltserhöhung und eine sehr gute Motivation für den Lehrer."

Wieviel dem Lehrer tatsächlich mehr bleibt, ist unklar, weil auch die Preise gestiegen sind. Die zweite relevante nationale Minderheit sind die 270.000 Tataren; im Zweiten Weltkrieg deportiert, kehrten die meisten erst nach dem Zerfall der Sowjetunion zurück. Tatarisch ist dem Türkischen sehr ähnlich und wird ebenfalls in Schulen unterrichtet. Politische Führer der Tataren klagen über weniger und kürzere Stunden; diesen Vorwurf weist die Schulbehörde zurück:

"Kürzere und weniger Stunden sind gesetzlich gar nicht möglich. Gleich geblieben ist auch die Zahl der Schulen, in denen Tatarisch unterrichtet wird. Außerdem haben wir die ukrainische Regelung beibehalten, wonach bei acht Schülern eine tatarische Klasse eingerichtet wird."

Nur die Tataren leisteten im Vorjahr etwas organisierten Widerstand gegen die Abspaltung von der Ukraine. Das Verhältnis zur Regierung in Simferopol ist gespannt, und der zentrale tatarische TV-Sender wirft den russischen Behörden Einschüchterungsversuche vor. Tatsächlich kamen Sondereinheiten der Polizei Ende Februar in den Sender, auf der Suche nach brisantem Drehmaterial aus der Zeit vor dem Anschluss. Ihn dürfte die Masse der Bewohner weiter klar befürworten, nicht nur wegen der russischen Bevölkerungsmehrheit, sondern weil Kiew wegen Krise und Krieg ohnehin keine anziehende Alternative darstellt.
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