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Gespräch mit Jack F. Matlock zur Ukraine

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Berichte Ukraine
Während in der Ostukraine die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und prorussischen Kräften wieder stärker werden und der Blutzoll steigt, kommen die internationalen Friedensbemühungen zur Lösung des Konflikts nicht wirklich vom Fleck. Ein Kritiker der Russenmilitärintervention aber auch der westlichen Politik ist der frühere amerikanische Karrierediplomat und Historiker Jack F. Matlock, der nun in Princeton lebt Matlock war der letzte Botschafter der USA in der Sowjetunion; mit ihm hat unser Ukraine-Korrespondent Christian Wehrschütz über die Krise in der Ukraine gesprochen; hier sein Bericht:

Ende November des Vorjahres begannen in der Ukraine die Massenproteste gegen das korrupte Regime von Präsident Viktor Janukowitsch und dessen Abkehr von der EU-Annäherung. Ein Jahr später hat sich die Krise in der Ukraine zu einem neuen Ost-West-Konflikt ausgewachsen. Diesen Konflikt nicht rechtzeitig entschärft zu haben, betrachtet der mittlerweile 85-jährige Jack F. Matlock als grundlegenden Fehler der Diplomatie auf allen Seiten. Jack F. Matlock:

„Es war ein schwerwiegender Fehler, dass der Westen, die Russen und die Ukrainer es zugelassen haben, dass aus einem ersten ziemlich lokalen Problem ein Ost-West-Thema wurde. Und das wird immer schlimmer, je mehr der bewaffnete Konflikt eskaliert. Daher muss ein Weg gefunden werden, die Lage zu beruhigen. Schließlich werden wir eine Lage haben müssen, wo Russland das Gefühl hat, dass es über den überwiegenden Einfluß zumindestens in diesen östlichen Provinzen verfügt. Eine andere Vereinbarung werden die Russen nicht akzeptieren. Sollten Kiew und die Ukraine glauben, dass sie sich retten können, in dem sie sich an die NATO wenden und von ihr Waffen bekommen, dann ist das einfach eine Illusion, und zwar eine gefährliche Illusion."

Denn auf absehbare Zeit habe die Ukraine keine Chance, in die NATO aufgenommen zu werden; daher sei auch Kiews Abkehr vom blockfreien Status ein schwerer Fehler gewesen, betont Matlock:

"Präsident Obama hat öffentlich gesagt, dass sie für einen NATO-Beitritt nicht geeignet ist. Ob das auf immer so bleibt, lässt sich schwer sagen. Doch wir hätten dem ukrainischen Parlament abraten sollen, seinen blockfreien Status aufzugeben, weil die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen werden wird. Ich weiß nicht, ob wir Kiew diesen Rat gegeben haben, offenbar nicht; wenn doch, haben sie ihn nicht befolgt. Ich verstehe nicht, warum die westliche Diplomatie da nicht wirksamer war, weil die Abschaffung der Blockfreiheit es allen schwieriger macht. Trotz aller unserer Falken wird der Senat nie dafür stimmen, unsere Sicherheit an ihre zu binden, wenn sie nicht ein Mal ein geeintes Land haben. Daher ist es absurd, russische Ängste weiter in diese Richtung zu nähren. Denn diese Ängste nutzt Russland, um die eigene Bevölkerung für Dinge bei der Stange zu halten, die Russland nicht tun sollte."

Gerade aus diesem Grund wäre es nach Matlocks Ansicht besser, wenn sich die USA im Ukraine-Konflikt zurückhielten und den Europäern die Führung überließen. Jack F. Matlock:

Der Druck auf Präsident Obama, das in eine Art öffentliches Duell mit dem russischen Präsidenten zu verwandeln, war nicht hilfreich. Ich denke, die USA hätten es den Europäern überlassen sollen, mit dem Problem umzugehen. Wir hätte Unterstützung leisten aber nicht versuchen sollen, die Führung zu übernehmen. Denn wenn wir das aus russischer Sicht in ein Ost-West-Problem verwandeln, dann ruft das vor allem auf russischer Seite irrationale Entscheidungen hervor. Das Ausmaß des amerikanischen Einflusses in der Ukraine ist von allen Seiten weit übertrieben worden, und natürlich auch von den Russen. Das ist ein Problem, das nicht militärisch gelöst werden wird. Das, was Russland in der Ostukraine getan hat, war ein enormer Fehler für Russland, das dafür einen sehr hohen Preis bezahlen wird. Doch wirtschaftliche Sanktionen zu verhängen, die das nicht stoppen, lässt das russische Volk denken, dass wir für diese Probleme verursachen. Doch das tun wir nicht; die Probleme liegen dort vor Ort."

Matlock geht davon aus, dass die Modernisierung der Ukraine ein Generationen-Projekt ist. Erfolgreich könne diese Modernisierung aber nur sein, wenn Kiew zu einem Modus vivendi mit Moskau finde, betont Matlock:

" Es wird - selbst wenn die Ukraine geeint ist - mindestens ein bis zwei Generationen dauern, um den Status einiger osteuropäischer Staaten zu erreichen, weil die sowjetische Erblast und der danach verfolgte Kurs sehr schwer wiegen. Hinzu kommt, dass die Ukraine diesen Weg nicht ohne gesunde wirtschaftliche Beziehungen mit Russland schaffen wird. Somit gibt es keine praktische Alternative als eine Lösung zu finden, die die Ukrainer und Russland akzeptieren können. Doch eine derartige Lösung wird es nicht geben, solange Russland eine Bedrohung seiner Sicherheit empfindet. Wirtschaftliche Themen sind verhandelbar, die Sicherheitsbedrohung nicht. Und da kommt die NATO ins Spiel. Und das war vorhersehbar ab dem Zeitpunkt als die NATO-Osterweiterung begann. Daher haben so viele von uns gesagt, tut das nicht. Es gibt andere Möglichkeiten für die Sicherheit Osteuropas."
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