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Reportage aus der Stadt Debalzewo

Sonstiges
ZiB24
Berichte Ukraine


In der Ostukraine wird die am 9. Dezember neuerlich ausgerufene Waffenruhe bisher besser befolgt als erwartet. Zwar gibt es sporadischen Artilleriebeschuss; der ist aber deutlich geringer als noch vor zwei Wochen. Etwas aufatmen kann auch die Stadt Debalzewo, 70 Kilometer nordöstlich von Donezk. Debalzewo ist von drei Seiten von prorussischen Kräften eingeschlossen und nur durch einen schmalen Korridor mit dem Teil des Kreises Donezk verbunden, der von ukrainischen Truppen gehalten wird. In und um Debalzewo begannen die Kämpfe Ende Juli und dauerten nun bis Mitte Dzember. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen für den vor dem Krieg so wichtigen Eisenbahnknotenpunkt sind verheerend.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Debalzewo

Insert1: Tatjana Ogdanskaja, Stellvertretende Bürgermeisterin von Debalzewo

Insert2: Alla Serdjuk, Bildungsreferentin von Debalzewo

Insert3: Schuldirektor Leonid Muchamedzjanow

Aufsager: Christian Wehrschütz aus Debalzewo

Gesamtlänge: 2’24

Auf dem Bahnhof stehen alle Räder still, weil die Eisenbahnlinie über Gebiete führt, die prorussische Freischärler kontrollieren. Die triste Lage ist überall spürbar; in Debalzewo hat nur eine Bank geöffnet; nur bei zwei Bankomaten können die Bewohner Bargeld beheben, das Mangelware ist. Fast die Hälfte der 25.000 Einwohner hat die Stadt verlassen; der wirtschaftliche Niedergang ist massiv:

"In den vergangenen drei bis vier Monaten haben offiziell 30 Prozent der privaten Firmen zugesperrt; doch es gibt auch viele Unternehmer, der Betriebe einfach stillstehen; viele haben die Stadt einfach verlassen."

Von den Kriegsfolgen betroffen ist auch das Bildungswesen:

"Viele Lehrer sind weggezogen; diesen Abgang spüren wir. Bis jetzt überdecken wir dieses Problem durch Stellvertretungen, wobei wir eben Lehrer aus anderen Schulen zum Unterricht heranziehen."

Ein Beweis für den Überlebenswillen ist diese Schule im Stadtzentrum. Die Zettel am Schultor sind die Hausaufgaben, die Schüler daheim zu lösen haben. Regelunterricht gibt es derzeit nicht; nur am Vormittag gibt es verkürzten Unterricht; denn die Schule kann nicht umfassend beheizt werden:

"Minustemperaturen habe wir hier nicht, aber zwischen fünf und sieben Grad."

Erneuert wurden die Fenster, die durch Beschuss zu Bruch gingen; trotzdem haben mehr als die Hälfte aller Schüler die Stadt verlassen. Im städtischen Krankenhaus war der Aderlass weniger drastisch; im Krieg wurde hier rund um die Uhr gearbeitet; und in den belegten Zimmern ist es warm. Das Krankenhaus leidet nicht unter Medikamentenengpässen; anders sieht es für behinderte und alte Menschen aus. Die Monatspension beträgt vielfach nur 60 Euro, ein Medikament gegen Diabetes kostet fünf Euro. Die Hälfte der Apotheken ist geschlossen, die andere Hälfte verkauft nur mehr gegen Bargeld und nicht mehr gratis auf Rezept. Hinzu kommt, dass Lieferungen derzeit nur mehr ein Mal im Monat erfolgen.

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