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Beginn der Demonstrationen gegen Janukowitsch

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Berichte Ukraine
Vor einem Jahr, am 21. November 2013 vollzog die Ukraine unter Präsident Viktor Janukowitsch die vorläufige Abkehr von der EU-Annäherung. Von Moskau mit Sanktionen belegt, wirtschaftlich in der Krise und ohne nennenswerte Finanzzusagen des Westens lehnt Janukowitsch die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU schließlich ab. Noch am selben Abend versammelten sich in Kiew mehrere Tausend Menschen und protestierten gegen diesen Beschluss. Es war dies die erste größere Demonstration auf dem „Majdan nesalezhnosti“, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, aus der die Majdan-Bewegung entstehen sollte, die dann zum Sturz von Janukowitsch führte. Mit einer Aktivisten der ersten Stunde hat in Kiew unser Korrespondent Christian Wehrschütz über ihre Motive und ihre erste Majdan-Bilanz berichtet aus Kiew Christian Wehrschütz

Es waren Aufrufe in sozialen Netzwerken, die vor einem Jahr zur ersten Demonstration am Majdan gegen Präsident Janukowitsch führten. Sein Sturz drei Monate später stand damals noch in den Sternen. Zu den Demonstranten der ersten Stunde zählte die Studentin Elizaweta Pliaschetschnik. Ihre Eindrücke von vor einem Jahre schildert sie so:

"Wir kamen mit Freunden von der Universität hierher, einfach, um die Menschen hier zu unterstützen. Ich konnte damals nicht die ganze Nacht und überhaupt nicht sehr lange bleiben, weil ich gearbeitet habe. Daher kam ich nur für einige Stunden. Es war sehr kalt, doch die Stimmung war gut und gar nicht aggressiv wie später auf dem Majdan. Es war für mich eine angenehme Überraschung, dass wir unter den Studenten und meinen Bekannten so viele Patrioten hatten. Diese Versammlung war eine Freude, doch wenn ich mich an die darauf folgenden Ereignisse erinnere, dann sind das negativere Gefühle."

Bemerkenswert ist, dass die 19-jährige Studentin auf den Majdan kam, obwohl sie in der EU bis heute nicht das Paradies auf Erden für die Ukraine sieht. Warum sie trotzdem gegen die Aussetzung der EU-Annäherung durch Präsident Viktor Janukowitsch demonstrierte, erläutert Elizaweta so:

"Wir hatten schon begonnen, den EU-Vertrag zu lesen, und verstanden, dass er nicht so gut war, wie wir zunächst gedacht hatten. Es gab einige Punkte, von denen wir hofften, dass sie geändert werden könnten. Doch einfach nicht zu unterzeichnen, das war für uns schrecklich. Daher unterstützte die Mehrheit hier Janukowitsch nicht mehr; einige Tage später waren wir uns bewusst, dass wir diesen Präsidenten nicht mehr dulden konnten."

Elizaweta studiert Serbisch an der Philologischen Fakultät in Kiew. Ihr gefällt der Balkan; und sie will Dolmetscherin werden. Für ihren Lebensunterhalt hat sie zwei wichtige Einnahmequellen: Ihr staatliches Stipendium von 65 Euro im Monat ist eine. Ein Drittel wird für das Zimmer im Studentenheim verwendet, das die 19-jährige mit zwei Kommilitoninnen teilt. Zweitens arbeitet Elizaweta fast jeden Tag noch als Kassiererin in einer McDonalds-Filiale in Kiew und verdient dadurch noch 60 Euro im Monate. In der Ukraine sind 30 Prozent der Mitarbeiter bei McDonalds Studenten, in Österreich sind es nur sieben Prozent. Elizaweta räumt ein, dass das Leben in der Ukraine binnen Jahresfrist nicht besser geworden ist. Trotzdem sieht die Studentin die Majdan-Bewegung positiv:

"Bis dahin habe ich nicht geglaubt, dass des in der Ukraine so viele Menschen gibt, die wirklich glauben, Ukrainer zu sein, die an ihre Ukraine glauben, und auch glauben, dass sich die Ukraine erneuern und alle Hindernisse überwinden kann."

Bleibt zu hoffen, dass diese Einschätzung stimmt; den Beweis ihrer Richtigkeit hat die Ukraine jedenfalls noch nicht erbracht.

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