Wahlkampf und Stimmung in der Westukraine
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Berichte Ukraine
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus der Westukraine
Insert1: Andrij Sadowij Bürgermeister von Lemberg
Insert2: Semen Sementschenko, Kommandant des Bataillon „Donbas“
Insert3: Arsenij Jazenjuk, Ministerpräsident der Ukraine
Aufsager: Christian Wehrschütz aus Lemberg
Gesamtlänge: 3’15
Fast 150 Jahre gehörte Lemberg zu Österreich, ehe es nach dem ersten Weltkrieg an Polen und nach 1945 an die Sowjetunion fiel. Das Stadtbild zeigt dieses Erbe und den Gegensatz zu den russisch und sowjetisch geprägten östlichen Landesteilen deutlich. Obwohl noch viel Bausubstanz zu erneuern ist, zählt Andrij Sadowij zu den erfolgreichsten Bürgermeistern in der Ukraine:
„Wir haben mehr als 100 Kilometer großer Straßen erneuert, inklusive Wasserleitung und Kanalisation. Als ich 2006 Bürgermeister wurde hatten wir nur jeweils vier Stunden Wasser in der Früh und am Abend. Jetzt haben wir rund um die Uhr warmes und kaltes Wasser und keine Probleme mehr.“
Mit seiner Partei „Selbsthilfe“ will der Bürgermeister nun gesamtukrainisch eine Rolle spielen. Ganz vorn auf der Liste kandidiert Semen Sementschenko, der Kommandant des Freiwilligen-Bataillons Donbas, das in der Ostukraine kämpft. Die Ukraine sieht sich im Krieg mit Russland, Freiwilligen-Kommandanten sind daher populär und kandidieren für verschiedene Parteien. Sementschenko wurde auf der Krim geboren und spricht nur Russisch:
„Die Selbsthilfe-Partei ist im Bewusstsein der Masse eine Erscheinung der Westukraine und nicht der gesamten Ukraine. Es ist sehr wichtig, dass Westen und Osten, Lemberg und Donbas sich zu einem Land zusammenschweißen. Denn in all den Jahren der Unabhängigkeit hat man uns aufeinander gehetzt und Schreckensmärchen übereinander erzählt, während man das Land ausgeplündert hat. In diesem Jahr kam es sogar zu einem Bruderkrieg.“
Lemberg zählt zu den Hochburgen des ukrainischen Nationalbewusstseins. Daher sind im Wahlkampf hier praktisch keine Parteien aus der Ostukraine im Einsatz. Die Aula der Universität nutzt auch Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk, um für seine Partei „Volksfront zu werben. Den Studenten macht er deutlich, wie viel Reformarbeit der Ukraine noch bevorsteht.
„Wir haben den Assoziierungsvertrag mit der EU ratifiziert. Damit sind wir zu unserer europäischen Abstammung zurückgekehrt. Doch von der Unterzeichnung bis zur Umsetzung des Vertrages ist es ein weiter und komplizierter Weg. Denn mit der Unterschrift ist es nicht getan. Um Teil Europas zu werden, muss man die Qualität des Bildungswesens verbessern.“
Die Universität Lemberg zählt 14.000 Studenten, 270 sind nun aus der Ostukraine gekommen, Tendenz steigend. Insgesamt hat die Stadt zehntausend Flüchtlinge aufgenommen, eher bessergestellte Ostukrainer, die hier wirtschaftlich tätig wurden und wohl dauerhaft in Lemberg bleiben werden.